Frankfurt, 01.01.2025

Baulärm für die ewige Ruhe

Aktuell entsteht im Frankfurter Nordend Hessens erste Begräbniskirche. Dafür wird in St. Michael derzeit heftig umgebaut. Im Herbst soll der neue „Indoor-Friedhof“ eröffnet werden, bis dahin ist allerdings noch viel zu tun. Ein Besuch auf der Baustelle.

Betreten verboten, gucken erlaubt: Das Interesse am Entstehen von Hessens erster Begräbniskirche ist groß. Immer wieder kommen Menschen vorbei und linsen durch die offenen Türen in die Kirche St. Michael. Drinnen herrscht Baustellenatmosphäre. Die anthrazitfarbenen Steinplatten des Bodens sind geöffnet und Kabel frisch verlegt, überall liegen Werkzeuge, vor dem Altar stapeln sich die Zementsäcke. Der Staub tanzt im Tageslicht, das durch die Fenster fällt. 15 Meter sind die Decken der denkmalgeschützten Kirche im Nordend hoch – und durch das Baugerüst, das sich bis unter die Decke einmal rundherum zieht, wirken sie noch höher.

Auf dem Bau arbeiten versetzt um die 15 Bauarbeiter, die Aufsicht führt Bauleiter Anthony Moiba vom Frankfurter Architekturbüro Meixner-Schlüter-Wendt, die die Gestaltung entworfen haben. Wo bald viele Menschen ihre letzte Ruhe finden sollen, ist es aktuell phasenweise ziemlich laut. Es wird gehämmert und gefräst, Wände eingerissen und neue Durchgänge geschaffen. Mehrmals die Woche schaut auch Verena Maria Kitz vorbei und informiert sich über den Fortschritt. Dabei ist die Leiterin des Fachzentrums  Trauerseelsorge stets ausgestattet mit gelbem Bauhelm, auf den sie einen bunten Aufkleber der Stadtkirchen-Aktion „Demokratie fällt nicht vom Himmel“ geklebt hat, und Sicherheitsschuhen. Denn um sich einen Überblick zu verschaffen, klettert sie auch schon mal aufs Baugerüst – und dabei darf natürlich nichts passieren. „Deshalb können wir hier auch momentan niemanden reinlassen, das wäre zu gefährlich“, erklärt Kitz. Aber sie verspricht: Im Sommer wird es, wenn der Stand der Bauarbeiten es zulässt,  einen offiziellen Besichtigungstermin für alle geben, die sich für diese neue Form der Bestattung interessieren.

Eimer voller Bauschutt

Wenn die Begräbnisskirche voraussichtlich im Herbst eröffnet wird, sollen hier 2500 Urnen in kreisförmigen Wänden Platz finden. Die Fundamente sind bereits gegossen, wie runde Stufen unterteilen sie den Kirchenraum und dienen aktuell noch als Ablagefläche für Kabeltrommeln, Hammer, Spitzhacke und Eimer voller Bauschutt. Später werden darauf die Urnenwände aus Beton angebracht, in denen die Urnen in hölzernen Kammern bestattet werden; hinter Milchglas, so dass die Umrisse von außen zu erahnen sein werden. Aktuell sind die Bauarbeiter dabei, die Fenster für die neue Lüftung vorzubereiten, außerdem entstehen erste Probebauten der Urnenwände.

Im zugehörigen Trauergarten ist bereits der Boden umgepflügt, hier soll  später einmal die Asche der Urnen, deren 15-jährige Ruhezeit abgelaufen ist, einen ewigen Platz finden. Noch nicht viel ist hingegen von der Umgestaltung des Gesprächsraums zu sehen, der dem Eingangsbereich gegenüberliegt. Aktuell türmt sich hier noch alles mögliche, was einer Baustelle so anfällt. Der Raum soll mit einer Rundbank ausgestattet und die Holztüren umgearbeitet werden, so dass es deutlich heller und freundlicher wird. Hoffentlich ein Trost für Menschen, die dort das Gespräch suchen, um sich die Trauer von der Seele zu reden.

Mit Gottes Hilfe noch geklappt

„Wir liegen beim Umbau der Kirche gut im Zeitplan“, sagt Kitz, die das Trauerzentrum seit 2020 leitet und das Projekt bereits von ihrem Vorgänger übernommen hat. Zwischendrin habe es sich schon ganz schön gezogen mit den Genehmigungen, räumt sie ein. „Aber ich habe immer daran geglaubt, dass es mit Gottes Hilfe schon irgendwann werden wird.“

Das Interesse am „Indoor-Friedhof“, wie ein Interessent ihn jüngst bezeichnete, ist groß, rund 160 Menschen haben sich bereits für eine Bestattung in der Kirche vormerken lassen. Ältere, Jüngere, Familien, die auch über den Tod hinaus zusammenbleiben möchten. „Darunter sind auch zahlreiche Menschen im mittleren Lebensabschnitt, die ihre Eltern beerdigen müssen und feststellen, dass diese kaum Anweisungen für ihre Bestattung hinterlassen haben“, schildert Verena Maria Kitz. „In einem solchen Fall entscheiden die Hinterbliebenen sich oft sehr bewusst dafür, es anders zu machen und sich zu Lebzeiten schon zu kümmern.“

Geschützt trauern

Das große Interesse an der Trauerkirche als Bestattungsort ist wenig überraschend, bietet das Konzept doch mehr als nur eine überdachte Ruhestätte. Die sogenannte „Begräbniskirche“ “ wird feste Öffnungszeiten haben, zu denen immer jemand vor Ort ist, aktuell werden noch Menschen gesucht, die ehrenamtlich Betreuungsdienste möchten. „Man kann geschützt trauern und mit der geliebten Person Zeit verbringen“, erklärt Kitz die Idee. Die Atmosphäre ist trotz Baustelle ruhig und getragen, würdevoll. „Man merkt dem Ort einfach an, dass hier seit Jahrzehnten Menschen ihren Glauben geteilt und mit Gott ins Gespräch gegangen sind.“

Doch die Trauerkirche soll noch mehr sein. Geplant sind auch angemessene Kulturveranstaltungen wie Konzerte, Lesungen und Theater. Um die Lücke zwischen Tod und Leben ein wenig zu verkleinern? „Das ist kein Gegensatz“, findet die Leiterin des Trauerzentrums, für die der Tod zum Leben und das Leben zum Tod gehört. „Trauer kann auch die Augen öffnen dafür, Dinge anders wahrzunehmen, dann gibt es diese Grenzen so nicht mehr.“

INFO

Für insgesamt 3,1 Millionen Euro, von denen das Bistum Limburg 1,4 Millionen Euro trägt, wird der Kirchenraum von St. Michael im Frankfurter Nordend zu Hessens erster Begräbniskirche umgebaut. Künftig sollen hier 2500 Urnen Platz finden. Bestatten lassen können sich in der sogenannte Begräbniskirche künftig nicht nur für Katholikinnen und Katholiken, sondern alle, die einen geschützten Raum dafür suchen. Die Preise werden sich an den Gebühren der städtischen Friedhöfe orientieren, es wird zudem vergünstigte Plätze für Menschen geben, die die Gebühren nicht komplett übernehmen können. Leiterin Verena Maria Kitz hofft, dass die Begräbniskirche zum Ende des dritten Quartals 2025 eröffnen kann. Im Lauf der Planung hatte das Projekt immer wieder mit Verzögerungen zu kämpfen.

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