Frankfurt, 20.08.2025
Neue Dauerausstellung im Domturm eröffnet
Dompfarrer Dr. Johannes zu Eltz und Stadtkämmerer Dr. Bastian Bergerhoff haben am Montag die neue Dauerausstellung „Turm und Stadt, oder: Wofür man einen Domturm braucht“ in der Türmerstube des Frankfurter Kaiserdoms eröffnet. In den drei kleinen Räumen der Türmerstube, 66 Meter über der Stadt, erzählt die Ausstellung mit vielen Bildern und Dokumenten zum Anschauen, Lesen und Hören vom Leben und Arbeiten auf dem Turm – und über die Liebe der Einheimischen wie der Fremden zu dem Frankfurter Wahrzeichen. Berichte von Besucherinnen und Besuchern wie Victor Hugo und Cornelia Goethe, eine dreidimensionale Installation des Künsterinnen-Duos Sounds of Silence und ein animierter Film von Stefan Matlik lassen den Alltag des Domtürmers in der Türmerstube wieder lebendig werden. Die Schauspieler Michael Quast und Stefani Kunkel leihen dem Domtürmer und seiner Frau ihre Stimmen.
„Was viele nicht wissen und vielleicht etwas verwundert: Der Kirchturm war von Anfang an vor allem ein städtisches Gebäude. Eine wesentliche Funktion war die Nutzung als Brandwache. Um das rund um die Uhr zu gewährleisten, wurde eine Wohnung für den Türmer und seine Familie eingerichtet“, sagt Kämmerer Dr. Bergerhoff. „Mit der Dauerausstellung in der Türmerstube haben wir diesem Raum wieder Leben eingehaucht. Jetzt lässt sich endlich Näheres über die Baugeschichte, über die Türmer und über die Stube als Wohnort und als Brandwache erfahren.“ Denn der Domturm diente nicht nur der Repräsentation, sondern auch ganz praktischen Zwecken. Er ist bis heute mit seiner Uhr und den Glocken Ort der Zeitmessung und Zeitverkündung, er diente als Feuerwache, als militärischer Beobachtungsposten, als touristische Attraktion und gelegentlich sogar als Veranstaltungsort für Feste.
"Gefällt mir die Welt"
„‚Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt, dem Turme geschworen, gefällt mir die Welt.‘ – Goethe hat das Türmerlied aus dem Faust nicht in Frankfurt geschrieben, es ist ein Alterswerk aus Weimar. Aber das ihm dabei auch der Pfarrturm des Bartholomäusdomes mit seiner Türmerwohnung in den Sinn kam, das will ich wohl glauben. Diesen Anblick vergisst man nicht. Heute nur noch Mittelfeld der vielen Frankfurter Hochhäuser ist er doch der Turm der Herzen geblieben“, betont Dompfarrer Dr. Johannes zu Eltz.
1415 wurde der Grundstein des Pfarrturms von St. Bartholomäus gelegt, der seit dem ersten provisorischen Bauabschluss 1514 das Wahrzeichen Frankfurts ist. Er verkörperte den Stolz und die Unabhängigkeit der Frankfurter Bürgerschaft und war zugleich ein Zeichen ihrer Frömmigkeit. Der Turm sorgte für Finanznöte und war Ort vieler Festlichkeiten, diente als Wache und als Wohnung, wurde kritisiert und bewundert. Unzählige Besucherinnen und Besucher stiegen die 328 Stufen zur Galerie hinauf um den Blick auf die Stadt und ihre Umgebung zu genießen. Die Ausstellung erzählt in drei Kapiteln in den drei kleinen Räumen der Türmerstube die Baugeschichte und viele Turmgeschichten aus über 600 Jahren.
Wie Türme die Stadt sichtbar und hörbar machen
Seit dem Mittelalter prägten die Türme von Kirchen, Stadtmauern und -toren, Rat- und Zunfthäusern das Bild der Städte. Anzahl und Höhe der Türme vermehrten das Ansehen einer Ortschaft. Sie schmückten die großen Gotteshäuser und zeugten vom Selbstbewusstsein der städtischen Kommunen. In Frankfurt beschlossen Stadtrat und Bartholomäus-Stift (das ist der heutige Dom) im Jahr 1414 gemeinsam den Bau des Pfarrturms. Der Kirchturm war also von Anfang an vor allem ein städtisches Gebäude. Aus dieser doppelten Auftraggeberschaft resultierte eine fortdauernde Konkurrenz um die Nutzung. Dabei ging es vor allem um die im Turm aufgehängten Glocken – die Stimme der Stadt.
Aufgrund der langen Bauzeit und der hohen Kosten kam die Bauarbeiten an vielen Kirchtürmen im 16. Jahrhundert zum Erliegen – so auch in Frankfurt. 1514 war man bei 67 Metern angelangt und die kleine Kuppel auf der Turmspitze wurde geschlossen. Die zierliche gotische Laterne nach dem Entwurf von Madern Gerthener wurde nicht vollendet, auch der Skulpturenschmuck und die filigrane Bauzier wurden nicht ausgeführt. So blieb der Turm als Zweckbau über Jahrhunderte stehen.
Die Diskussion um seine Vollendung wurde bereits im 18. Jahrhundert geführt. Mit den verlorenen Kriegen gegen die Armeen Napoleons und der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 1806 belebte sich das Interesse an der Gotik als angeblich deutschem Nationalstil aufs Neue und führte zur Vollendung vieler Domkirchen und -türme wie in Köln, Regensburg, Ulm und Frankfurt. Hier gab 1867 der verheerende Dombrand den Ausschlag: Der Architekt und Ingenieur Franz Josef Denzinger, der sich zuvor in Regensburg bewährt hatte, wurde mit der Restaurierung und einem teilweisen Neubau des Doms beauftragt. Nach zehn Jahren Bauzeit konnte die Kreuzblume auf die neue Turmspitze gesetzt werden, 1880 bezog die Frankfurter Feuerwehr die Brandwache in der Türmerstube.
Domturm-Romantik versus Domturm-Wirklichkeit
Als höchstes Gebäude der Stadt war der Domturm ein beliebter Aussichtspunkt. Viele Besucherinnen und Besucher idealisierten das Leben der Türmer als einsame Wächter hoch oben, weit entfernt vom Getriebe der Stadt. In Goethes „Türmerlied“ aus Faust II, das mit den Zeilen „Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt“ beginnt, wird der Typus entworfen.
Tatsächlich war das Leben auf dem Turm nicht einfach. Die Türmer verpflichteten sich, 24 Stunden Wache zu halten. Vor allem ging es dabei um die Feuerwache – und damit um die Existenz der Stadt. Zu den Aufgaben gehörte auch das Zeitläuten und das Anblasen des Marktschiffs, das täglich aus Mainz kam. Bei ihrem Dienst wurden die Türmer von den Nachtwächtern aber auch von ihren Familien unterstützt. Auf diese Weise waren oft auch Frauen mit dem Türmerdienst betraut. Der Pfarrtürmer Alexander Mengel beklagt 1630, dass „ich keine Stund, weder Tag noch Nacht von dem Turm darff […], also dass ich ganz einem gefangenen Mann gleich bin“. Und der Verleger George Friedrich Hartmann aus Königsberg schreibt 1808 „Man sollte Menschen eigentlich nur zur Strafe dahin senden“. Als Ende des 19. Jahrhunderts die Feuerwehr professionalisiert wurde, verblieb die Brandwache auf dem Domturm. In den 1920er und 1930er Jahren wurde sie mit dem zunehmenden Altstadt-Tourismus ein wichtiges Ziel. Die Türmerstube von Johannes und Elisabeth Rüb ist fotografisch gut dokumentiert. Originales Mobiliar ist allerdings nicht erhalten. Eine Installation des Künstlerinnen-Duos Sounds of Silence (Umsetzung Christian Dörner) entführt in der Ausstellung in die Zeit, als noch Türmer auf dem Domturm lebten.
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Die Ausstellung „Turm und Stadt, oder: Wofür man einen Domturm braucht“ wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Horst Haas & Irene Haas-Scheuermann Stiftung. Darüber hinaus danken wir für Kooperation, partnerschaftliche Unterstützung und Förderung: Historisches Museum Frankfurt, Institut für Stadtgeschichte im Karmeliterkloster Frankfurt am Main, Museumsverband Hessen, Hessisches Ministerium für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur, Dompfarrei St. Bartholomäus Frankfurt am Main, Stadt Frankfurt am Main. Besonderer Dank des Dommuseums an Lidija Esch, Julia Lienemeyer, Sabine Schaaf, Burgunda Laumen-Brunner und Konrad Heumann.