Frankfurt

Von Jesus erzählen auf seine Weise

Holger Daniel, Pfarrer von St. Marien im Frankfurter Westen, hat vor etwa zehn Jahren seine Leidenschaft fürs Krippenbauen entdeckt. Auf opulente Weise und mit ganz viel Liebe zum Detail stellt er die biblische Weihnachtsgeschichte dar, sehr zur Freude vieler Gemeindemitglieder, die jedes Jahr zu Besuch kommen. Beim Tag des Offenen Pfarrhauses am 10. Januar zeigt er sie womöglich zum letzten Mal in Frankfurt.

Ein Engel begegnet Maria in der Loggia und verkündet ihr, dass sie den Heiland empfangen wird. In der Etage darüber stehen sich zwei Frauen vor einem Hauseingang gegenüber, ins Gespräch vertieft, die Gewänder bauschen sich über ihren gewölbten Bäuchen. In der Mitte, im Stall, liegt das Jesuskind in seiner Krippe, bewacht von seinen Eltern. Und durch die Straßen über das Kopfsteinpflaster ziehen die Heiligen Könige, geleitet vom Stern. „Hier sind alle biblischen Weihnachtsgeschichten dargestellt“, sagt Holger Daniel, Pfarrer von St. Marien, und setzt ein Kamel zurück, das er einer kurzen Inspektion unterzogen hat. Nun, da es auf Weihnachten zugeht, soll in der Miniaturwelt alles perfekt sein, und dazu gehören auch regelmäßige kleine Ausbesserungen.

Holger Daniel hat die Krippe im neapolitanischen Stil selbst gebaut und jedes einzelne Gebäude, jedes Detail liebevoll selbst gefertigt. Wer den Priester mit seinen Figuren erlebt, merkt schnell: Er hat durch diese Leidenschaft für sich eine weitere wunderbare Weise gefunden, von Jesus zu erzählen. Überall gibt es etwas zu entdecken, die Figuren und Bibelszenen natürlich, aber auch augenzwinkernde Einzelheiten wie die Ausstattung einer Miniaturküche, in der Würste und Zitronen von den Wänden hängen, während der Ofen daneben mit roten Kohlen gefüllt glüht, oder die Einrichtung eines Wohnzimmers mit kristallenem Kronleuchter und edlem Geschirr. Mit viel Geduld, handwerklichem Geschick und endlosen Stunden auf Plattformen wie Ebay hat der 60-Jährige sich eine eigene kleine Stadt gebaut. Und zeigt seinen ganz eigenen Blick auf die Weihnachtsgeschichte.

Überraschung des Vaters

Pfarrer Daniel, der im Pfarrhaus von St. Anna in Hausen wohnt und sein Büro hat, begann 2002 mit dem Bau von Krippen. Sehr zur Überraschung seines Vaters, der den Sohn nicht für handwerklich begabt hielt, aber schnell eines Besseren belehrt wurde. Mittlerweile hat Daniel viel Erfahrung mit Materialien wie dem festen Styroporstoff „Styrodur“ gesammelt, aus dem er Miniaturgebäude baut, die er anschließend mit Spachtelmasse verputzt. Auch Kacheln, Straßenpflaster, das er auf einer Postkarte aus seinem Ort auf Sizilien gesehen hat, und Mauersteine fertigt er aus dem Material, indem er mit dem Lötkolben Muster hineinbrennt. Anschließend werden die Ritzen verfugt und mit viel Liebe zum Detail bemalt. „Allein auf diesem Kopfsteinpflaster finden sich sieben verschiedene Farbtöne“, berichtet er. In seiner Werkstatt, einem leerstehenden Büro, hat er verschiedene Maschinen und Werkzeuge versammelt; was ihm an Arbeitsmaterialien fehlt, fertigt er selbst. Zum Beispiel eine Teigrolle, auf die er Noppen aufgebracht hat und die, rollt man fest über Styropor, ein unregelmäßiges Muster einprägt. „Hier in der Werkstatt kann ich alles stehen und liegen lassen, das ist sehr hilfreich“, sagt Holger Daniel, der früher nach jedem Arbeitseinsatz alles wieder aufräumen musste – ein Schicksal, das viele Kreative kennen.

Drei Krippen gibt es im Pfarrhaus, und alle müssen jedes Jahr ausgepackt, aufgebaut und natürlich immer wieder gepflegt und verschönert werden, weshalb auch die Ausstattung in der Werkstatt ständig wächst. Ein Hobby, das niemals aufhört. Und das ist gerade das Gute für den leidenschaftlichen Gestalter Daniel, der nicht fernsieht und nur selten am Handy zu finden ist: „Man werkelt mit den Händen, hat etwas zu tun, ist kreativ. Das ist doch eine wunderbare Beschäftigung.“

Zenetti-Figuren, Drahtgestell und Terracotta

Wer das Pfarrhaus betrifft, wird im Eingangsbereich von der Geburtsszene vor einem antiken Säulengebäude begrüßt. Die Figuren bekam er vom bekannten Frankfurter Pfarrer Lothar Zenetti, der aus Bockenheim stammte, den er gut kannte und der sie ihm vererbte. Sie sind aus Holz geschnitzt und alt, während die Tempelszene drumherum erst in den letzten Jahren entstanden ist, als Kulisse, um sie angemessen zu inszenieren.

Die Größte der drei Krippen ist die sicher drei Meter breite „Bürokrippe“, für die Pfarrer Daniel jedes Jahr seinen Schreibtisch verschiebt, um sie aufbauen zu können. Mit ihr begann er vor fünf Jahren, seitdem nahm sie ihre heutige Form an, inklusive Darstellungen der Flucht nach Ägypten, dem schlafenden Hirten, der Herbergssuche und vielen weiteren Szenen. Die Figuren der Bürokrippe stammen aus Südtirol und sind aus mit gehärtetem Stoff überzogenem Drahtgeflecht, ansonsten ist sie streng nach neapolitanischem Vorbild gebaut. Dabei hilft, dass Pfarrer Daniels bester Freund Salvatore aus Neapel kommt und sowohl bei der „Bürokrippe“ als auch bei der Krippe im privaten Wohnzimmer des Pfarrers darüber wacht, dass wichtige Krippenregeln eingehalten werden. Zum Beispiel, dass die Geburtsszene immer in einem Stall dargestellt werden und stets in der Mitte präsentiert werden muss. Darüber können die beiden Männer lange diskutieren, am Ende ist Daniel aber beruhigt, wenn sein italienischer Freund seinen Segen für die Gestaltung gibt.

Verdutzte Gesichter

Während die große Krippe im Büro die Stationen der Weihnachtsgeschichte erzählt, ist die private, die Holger Daniel jedes Jahr in seinem gemütlichen Wohnzimmer auf einer Kommode aufbaut, zwar fast ebenso groß, wächst aber eher in die Höhe und ist in ihrer Darstellung deutlich verspielter. Die zehn Zentimeter hohen Figuren aus Terracotta sind einfacher gestaltet. Etwa 200 sind es, die die Geburtsszene im Stall umringen, essen, trinken, tanzen, feiern. Es gibt einen Wirt, der Wein ausschenkt, Frauen, Männer, Kinder, Tiere. Eine Figur lässt sogar die Hose herunter, um sich zu erleichtern. Es ist das pralle Leben, das hier dargestellt wird, aber natürlich haben die Szenen auch christliche Bedeutung. Das ausgelassene Feiern zum Beispiel steht für die Todsünde Völlerei. Die Bäckerei symbolisiert das Brot des Lebens, der Weinstock die Beziehung der Menschen zu Gott, und der Angler, der auf einer Treppe steht und in einem Bach einen Fisch fängt, zeigt den ursprünglichen Beruf der Apostel.

Apropos Wasser: Brunnen, in denen echtes Wasser plätschert, gibt es viele in den Krippen des Holger Daniel. Und auch Strom hat er verbaut, zum Beispiel in den warm glühenden Straßenlaternen. Sie und auch die Brunnen kann er mit einer Fernbedienung ein- und ausschalten. Und schmunzelt dabei über die verdutzten Gesichter seiner Besucher.

Termin

Am Samstag, 10. Januar 2026, 14 bis 20 Uhr, lädt Holger Daniel wieder zum Offenen Pfarrhaus nach St. Anna, Am Hohen Weg 19, in Frankfurt-Hausen ein. Interessierte können ohne Voranmeldung kommen und die drei Krippen betrachten. Es ist möglich, dass dies die letzte Möglichkeit ist, die Krippen in Frankfurt zu sehen, denn der Kirchort wird in absehbarer Zeit aufgegeben und Pfarrer Daniel wird umziehen müssen.

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