Frankfurt

Kleine Kirche, lang erwartet

Endlich ist sie da: Seit Freitagnachmittag steht die Tiny Church der Pfarrei St. Jakobus an ihrem festen Standort in Niederrad. Am Montag gibt es eine kleine Feier, die offizielle Eröffnung folgt im Frühjahr.

Jahrelang hat er auf diesen Moment gewartet – und mit ihm ganz Niederrad, ja im Grunde das ganze christliche Frankfurt. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass George Kurumthottikal strahlt, als der Sprinter mit seiner schweren Last auf dem Anhänger in die Straße einbiegt. „Ich bin so glücklich und kann es noch gar nicht glauben, dass sie jetzt da ist“, sagt der Projektleiter, der vor drei Jahren in der Pfarrei St. Jakobus angestellt wurde, um die lange geplante Tiny Church zu finalisieren und mit einem Programm für die Menschen im Quartier zu bespielen.

Die Planungen für das 17 Quadratmeter große, komplett mit hellem Holz ausgekleidete Mini-Veranstaltungsgebäude gehen lange zurück, ursprünglich sollte es bereits vor der Pandemie kommen. Die Idee war damals, dem sich von der reinen Bürostadt zum lebendigen Wohnviertel wandelnden Niederrad eine neue Art von Kirche anzubieten. „Das Spannende bei diesem Projekt ist, dass wir raus zu den Menschen gehen und nicht erwarten, dass sie zu uns kommen“, erklärt George Kurumthottikal, von Haus aus Soziologe. „Das ist anders als in einer fest gebauten Kirche. Für uns ist die Herausforderung, dass wir uns hier nicht wohnlich machen.“ Entsprechend ist es auch symbolisch zu verstehen, dass das kleine Gebäude auf seinem Anhänger stehen bleibt, mit dem es theoretisch auch bewegt werden kann. Praktisch wird das eher selten der Fall sein, denn auch 3200 Kilogramm wollen vorsichtig bewegt werden.

Projekt ist endlich sichtbar

Von Anfang an wurde das Projekt ökumenisch geplant, auch interreligiöser Dialog wird mitgedacht – und willkommen ist ohnehin jede und jeder, die an dem kleinen Häuschen vorbeikommt und neugierig wird, was hier stattfindet. Und das soll eine ganze Menge sein: Geplant sind Andachten ebenso wie Lesungen, gesellige Abende, Gesprächsangebote und kulturelle Veranstaltungen. Die Tiny Church ist kein Sakralbau, das heißt, sie wird nicht geweiht, hat keinen Altar und kein Taufbecken. „Aber natürlich freuen wir uns über einen Segen, wenn Bischof Georg mal dorthin kommt“, so George Kurumthottikal. Er betont: „Auch wenn wir jetzt lange auf die Kirche gewartet haben, läuft das Programm hier an unserem Platz schon seit drei Jahren. Nun ist das Projekt aber auch endlich gut sichtbar.“

Am Freitagnachmittag ist die Tiny Church nach ungefähr 600 Stunden Bauzeit an ihrem künftigen Ort angekommen. Ab sofort steht sie gegenüber der Arbeitsagentur in der Saonestraße in Niederrad fest auf einem Parkplatz, der eigens dafür angemietet wurde. Am Montag, 15. Dezember, 17 Uhr, gibt es eine kleine Einweihungsfeier mit Chor, Bläsermusik und Glühwein. Anja Bode, Pfarrerin der evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde, und der katholische Pfarrer Werner Portugall halten gemeinsam eine Andacht. Die offizielle Eröffnungsfeier folgt dann im Frühjahr.

Fußbodenheizung und Teeküche

Die neue Niederräder Minikirche ist komfortabel ausgestattet: Geheizt wird über Fußbodenheizung, Strom kommt aktuell noch vom Generator, soll aber fest gelegt werden. Auch einen Frisch- und Brauchwassertank für die kleine Teeküche gibt es. Gefertigt wurde das Häuschen vom Unternehmen Tiny Home Factory aus Freiburg. Mehrmals reiste George Kurumthottikal in den vergangenen Monaten dorthin, um die Fortschritte zu begutachten. Deshalb ist das Projektteam sich auch sicher, am Freitagnachmittag nur positive Überraschungen zu erleben. Und so ist es auch, als die Geschäftsführer, die Zwillingsbrüder Johannes Mager und Michael Hornberger, ebenfalls gebürtiger Mager, nach vier Stunden Fahrt mit der kleinen Kirche auf dem Anhänger auf die Zielgerade einbiegen. Nach ein wenig Rangieren über die seitlich angrenzende Rasenfläche gelingt es auch auf Anhieb, die Tiny Church so zu platzieren, dass sie parallel zur Parkplatzkante steht. Passt! Und George Kurumthottikal ist sichtlich stolz, die Schlüssel für sein Herzensprojekt überreicht zu bekommen.

Jörn Reccius von der Paul-Gerhard-Gemeinde, ehrenamtliches Mitglied im Projektrat, kommt zufällig vorbei, als die Tiny Church gerade eingeparkt wird. „Das ist großartig, eine ganz besondere Freude“, sagt er lächelnd.  Auch die beiden Tiny-Church-Bauer sind sichtlich glücklich, dass alles passt und die kleine Kirche an ihrem neuen Ort angekommen ist. Es ist die erste Kirche, die die Brüder gefertigt haben, normalerweise bauen sie Wohnhäuschen im Miniaturstil. Die Premiere ist jedenfalls gelungen, künftige weitere kleine Kirchen aus Freiburg sind also nicht ausgeschlossen.

Die Eckpunkte der Tiny Church

Vor allem in den Sommermonaten werden rund um die kleine Kirche öffentliche kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Die Terrasse wird als Bühne dienen und somit den Außenraum bespielen. Unabhängig von den punktuell stattfindenden Veranstaltungen bietet der Innenraum einen Rückzugsort für ca. 12 Personen. Hier können sich Passant:innen zum Lesen und Verweilen zurückziehen und ins Gespräch kommen. Eine verantwortliche Person vor Ort wird sich um Öffnung, Schließung und Betreuung des Gebäudes kümmern. Dabei wird der Schwerpunkt in der Ansprache an die Bewohner des Lyoner Quartiers liegen, indem Veranstaltungen, Informationsangebote und Begegnungen an festen Terminen gegen frühen Abend in der Woche und am Wochenende stattfinden. An ausgewählten Tagen sollen tagsüber mit Angeboten auch die Pendler der umliegenden Büros angesprochen werden. Da sich das Angebot an spontan Passierende richtet, sind die Veranstaltungen im Außenbereich barrierefrei zugänglich. Ein ökumenisch zusammengesetzter Projektrat ist sowohl an der Konzeption als auch an der Durchführung der Veranstaltungen eingebunden.

Für den Bau des ca. 17m² großen Gebäudes ist unter anderem thermisch behandeltes Pappelholz und österreichische Schafswolle verwendet worden. Es gibt einen Eingang über eine Terrasse mit Glastür an der hinteren Stirnseite. Die ca. 2,5m² große Terrasse dient als Verbindungsglied zum Außenraum. Im Innern befindet sich auf einer Fläche von ca. 11 m² ein Tisch mit Stühlen und eine kleine Teeküche. Die äußere Erscheinung ist mit einer dunklen vertikalen Holzschalung zurückhaltend gestaltet.

Gekostet hat der Bau der Tiny Church 122.000 Euro, geplant worden war zu Beginn ursprünglich mit 90.000 Euro. Die Finanzierung der Baukosten wurde durch Stiftungen und Institutionen gesichert. Beteiligt sind die Crummenauer Stiftung, die Kirchenentwicklung Bistum Limburg, das Bonifatiuswerk, der Gesamtverband Frankfurt und die Schlegl Stiftung. Die Finanzierung der laufenden Kosten werden von der evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde und der katholischen St. Jakobus Gemeinde getragen. Die Kosten des pastoralen Mitarbeiters werden vom Bistum getragen.

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