Frankfurt, 07.04.2025

Kreuzweg der Welt

Beim Kreuzweg der Welt bringen Katholik:innen Sorgen und Nöte in ihrer Muttersprache vor Gott. Die jährlich stattfindende Veranstaltung zeugt von Vertreibung und Krieg, von Aufbruch und Integration, von Schmerz, aber auch von tiefer Zuversicht.

Jedes Jahr an einem Freitag gegen Ende der Fastenzeit wird die Frankfurter Liebfrauenkirche zu einem Ort, an dem sich die Wunden der Welt und die stille Hoffnung ihrer Heilung begegnen. Am vergangenen Freitag, 4. April, hat der „Kreuzweg der Welt“, gestaltet von Katholiken anderer Muttersprache, wieder stattgefunden und war dabei erneut kein bloßes Gebet – er war ein geistlicher Spiegel globaler Erfahrungen: von Vertreibung und Krieg, von Aufbruch und Integration, von Schmerz, aber auch von tiefer Zuversicht. Wer an diesem Abend um 19.30 Uhr in den weiten, offenen Raum von Liebfrauen eintrat, der betrat nicht nur eine Kirche, sondern den Herzschlag einer weltumspannenden Gemeinde mitten in Frankfurt.

Menschen unterschiedlichster Herkunft und Geschichte waren gekommen – man sah es in den Gesichtern, hörte es in den Stimmen, spürte es im Schweigen. Der Weg nach Golgotha wurde zu einem gemeinsamen Weg durch Verwundung und Hoffnung. Und so war dieser Kreuzweg ein Zeugnis nicht allein des christlichen Glaubens, sondern auch der Menschlichkeit in ihrer tiefsten Dimension: leidend, betend, getragen von dem Wunsch nach Versöhnung.

Das Leid der Welt, die Hoffnung unter uns

Die Stationen wurden in deutscher Sprache meditiert – der gemeinsamen Sprache aller, die hierher gefunden haben. Doch zu jeder Station erklang die Heilige Schrift in einer anderen Muttersprache: Vietnamesisch, Indisch, Arabisch, Koreanisch, Ukrainisch, Englisch, Portugiesisch, Tamil, Französisch, Italienisch, Spanisch, Italienisch,  – ein liturgisches Mosaik, das nichts von der Tiefe der jeweiligen Kultur verlor und sich dennoch harmonisch in den deutschen Kontext einfügte.

Die musikalischen Beiträge der Chöre brachten die unterschiedlichen spirituellen Traditionen klanglich zum Ausdruck. Und dennoch – oder gerade deshalb – wurde das deutsche Gotteslob zum verbindenden Element. Seine Lieder vereinten die betende Gemeinde im gemeinsamen Klang, im gemeinsamen Bekenntnis, im gemeinsamen Schmerz und in gemeinsamer Hoffnung.

Die Atmosphäre in der Kirche wurde geprägt von der geerdeten Präsenz der Kapuziner, durch Bruder Bernd, deren Alltag ganz im Dienst an den Menschen steht, besonders an den Verwundeten, den Ausgegrenzten, den Suchenden. Liebfrauen, ein Ort der täglichen Begegnung, wurde an diesem Abend zum sakralen Symbol einer Kirche mit offenen Türen – mitten im Getriebe der Stadt, gleich neben der Zeil, und doch ein Raum des Trostes und der Sammlung.

Der Kreuzweg wurde ermöglicht durch die Stadtkirche Frankfurt, deren Referentin für muttersprachliche Gemeinden, Dr. Brigitta Sassin, ihn mit Herz und Verstand begleitet hat. Ihr Herz schlägt für die Interkulturelle Pastoral – nicht als romantische Idee, sondern als konkrete Hoffnung für die Kirche in Deutschland. Sie sieht in der Präsenz der Katholiken anderer Muttersprache nicht ein „Dazwischen“, sondern ein „Miteinander“, nicht ein Nebeneinander, sondern ein gemeinsames Zeugnis. Diese Kirche ist kein Schmelztiegel, sondern ein Mosaik – und gerade deshalb so schön.

Ein starkes Zeichen der innerkirchlichen Bindung war die Anwesenheit von Marianne Brandt, Vorsitzende des Stadtsynodalrates. Ihre Teilnahme zeigte, dass die Vielfalt der Kirche nicht nur gefeiert, sondern auch strukturell mitgetragen wird – als Ausdruck echter Synodalität.

So wurde dieser Kreuzweg zu mehr als einem liturgischen Ereignis. Er war ein geistliches Dokument unserer Zeit. Hier klang das Leid der Völker, die ihre Heimat verlassen mussten, aber auch das Staunen über ein neues Zuhause. Hier wurde erfahrbar: Die Wunden der Welt sind nicht nur ferne Nachrichten – sie sitzen mit uns auf der Bank. Und ebenso: Die Hoffnung ist nicht abstrakt – sie singt neben uns im Chor, betet mit uns das Vaterunser, lernt unsere Sprache, bleibt bei uns.

Das Liedheft mit allen berührenden Texten kann rechts auf dieser Seite als PDF heruntergeladen werden.

Text: Pater Gaby Geagea

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