Zerreißprobe für Frankfurter Rat der Religionen

Juden treten aus - Offener Brief mahnt Dialog an

FRANKFURT.- Aufgrund von ihrer Ansicht nach problematischen öffentlichen Äußerungen einiger muslimischer Ratsmitglieder hat die Jüdische Gemeinde ihre Mitgliedschaft im Rat der Religionen aufgekündigt. Dessen Vorsitzender Khushwant Singh äußerte sich in einem Offenen Brief zu den Vorwürfen.

Die emotionalen Debatten über den Gaza-Krieg und dessen politische Bewertung stellen den Frankfurter Rat der Religionen vor eine Zerreißprobe. Die Jüdische Gemeinde hatte zunächst ihre Mitgliedschaft im Rat nur ruhen lassen, dann aber ihren Rückzug erklärt, weil sich einige muslimische Mitglieder ihrer Ansicht nach problematisch geäußert haben. Die Kritik richtet sich ausdrücklich gegen Selçuk Dogruer vom Landesverband der Ditib Hessen, und gegen Ünal Kaymakci von der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen. „Dies sind nicht die Personen, mit denen wir weiter arbeiten können“, sagt Leo Latasch, Sozialdezernent der Jüdischen Gemeinde.

Antisemitismus versetzt die Stadt zu Recht in Sorge

In einem Antwortschreiben an die Jüdische Gemeinde bekräftigte der Vorsitzende des Rates, Khushwant Singh, es könne „kein Zweifel“ daran bestehen, „dass alle Mitglieder des Rates Antisemitismus und Judenfeindlichkeit auf das Schärfste verurteilen. Allen Angriffen auf jüdische Bürgerinnen und Bürger Frankfurts treten wir entgegen. Entsprechend verurteilt der Rat die aktuellen antisemitisch motivierten Vorfälle auf Personen und Einrichtungen in Frankfurt, die die jüdische Gemeinde wie auch die ganze Stadt zu Recht in Sorge versetzt.“

In Anbetracht des Konfliktes zwischen Israel und Palästina habe es in letzter Zeit immer wieder den Wunsch gegeben, dass sich der Rat zu Gunsten nur einer Seite positioniert, doch der Rat sehe seine Aufgabe darin, die verschiedenen Perspektiven in einen Dialog zu bringen und für eine respektvolle Debattenkultur über den Konflikt einzutreten. „Unterschiedliche politische Einschätzungen der Geschichte und der Gegenwart des Konfliktes um Israel/Palästina sind legitim und dürfen uns im Rat der Religionen nicht dazu bringen, das Gespräch abreißen zu lassen“, schreibt Singh.

Polarisierung bisher vermieden

In den vergangenen Wochen habe man mehrfach intern das Gespräch gesucht, erst am 24. Juli habe eine Sondersitzung des Rates mit Vertretern der jüdischen, muslimischen, christlichen, buddhistischen Gemeinden sowie der Baha?i und der Sikh Gemeinde stattgefunden. „Diese hatte zum Ziel, sich über den weiteren Umgang mit dem Thema auszutauschen und einen gemeinsam gangbaren Weg zu finden. Dabei ist es bisher gelungen, eine Polarisierung der verschiedenen Positionen zu vermeiden, wie sie leider immer wieder bei diesem Themenfeld ? insbesondere auch in der Öffentlichkeit ? stattfindet. Trotz zum Teil unterschiedlicher Sichtweisen waren auch diese Gespräche von großem Vertrauen, gegenseitigem Respekt und Offenheit  geprägt. Gemeinsame Grundlagen und Orientierungspunkte für den zukünftigen Dialog zum Thema wurden festgehalten.“

Die beiden von der Jüdischen Gemeinde kritisierten Personen Dogruer und Kaymakci seien „nachweislich seit vielen Jahren im interreligiösen Dialog aktiv und intern wie extern und öffentlich für eine differenzierte Auseinandersetzung über den Nahostkonflikt eingetreten“, schreibt Singh. Man sei jedoch bereit, über die konkreten Vorwürfe mit allen Beteiligten zu sprechen.

Tür des Dialogs erneut öffnen

Der Rat bedauert in der Stellungnahme, dass die Jüdische Gemeinde nicht zuerst das Gespräch gesucht habe, sondern gleich den Weg über die Öffentlichkeit gegangen sei. Singh schlägt vor, das „im Rat schon lange geführte Gespräch über das Verhältnis von Religion und Politik unter Bezug auf den Nahost-Konflikt angesichts der nunmehr aufgetretenen Differenzen“ zu führen, allerdings wolle man dies nicht öffentlich, sondern „in einem geschützten Rahmen“ tun.

„Der Rat hofft, dass es in den kommenden Wochen, ausgehend von dem gewachsenen Vertrauen, das es untereinander im Rat gibt, gelingen wird, die Tür des Dialogs erneut zu öffnen.“

Antje Schrupp (evangelisches frankfurt) - mit dw

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