Lebendige und ausstrahlende Caritas
FRANKFURT.- In der katholischen Gemeinde St. Johannes Apostel in Unterliederbach zeigt sich, „dass Menschen, die ein Herz für Gott haben, auch ein Herz für die Menschen haben“. Diese Überzeugung hat der Bischof von Limburg, Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst, am Sonntag, 14. April, zum 100. Geburtstag der Gemeinde geäußert. St. Johannes Apostel ist über die Grenzen Frankfurts hinaus bekannt für das hier gelebte soziale Engagement der Christen und die umfassende karitative Arbeit vor Ort.
„Man kann erahnen, welche Wurzeln Glaube und Liebe hier haben, weil Gebet und Caritas so sehr die Geschichte und Gegenwart der Pfarrei prägen“, betonte der Bischof in seiner Predigt zum Festgottesdienst. Die Taufe sei hier in besonderer Weise „Quelle für eine Sendung, die die Nöte der Menschen sieht“. Der Bischof lobte den „namhaften und namentlichen Einsatz“ so vieler Aktiver in der Gemeinde und würdigte ebenso die „unscheinbar gelebte Treue im Hintergrund“. Das große Vermächtnis einer 100-jährigen Geschichte könne so auch die Christen der Gegenwart stärken. Denn die Gründung der Pfarrei vor hundert Jahren sei die Initiative dafür gewesen, den Glauben „in der jeweiligen Gegenwart unserer Gesellschaft lebendig zu halten“.
Die Geschichte der Gemeinde hat die Historikerin Barbara Wieland aus Unterliederbach zusammengestellt. In der Jubiläumsschrift beschreibt sie, wie sich das Dorf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Wohngemeinde für das nahe Höchst entwickelte, wo sich immer mehr Industrie ansiedelte. Auch der Anteil der Katholiken stieg damit zusehends ? ohne dass sie seelsorglich betreut werden konnten.
Damals wünschten die Katholiken erstmals die Errichtung einer katholischen Pfarrei in Unterliederbach, ein Unterfangen, das aus politischen Gründen während des Kulturkampfs nicht gelang. Als sich die Verhältnisse entspannten, gründete der Stadtpfarrer von Höchst, Emil Siering, 1894 einen Kirchbauverein. Schon 1895 konnte das Pfarrhaus (heute Begegnungsstätte Altes Pfarrhaus) fertiggestellt werden. 1896 weihte Bischof Dr. Karl Klein die neuerbaute Pfarrkirche zu Ehren des Apostels und Evangelisten Johannes.
Den Menschen vor Ort in ihrer Not helfen
Um den Menschen vor Ort in ihren Nöten zu helfen, gründeten die Dernbacher Schwestern 1909 eine Niederlassung in der Falkenstraße. Eine „Kleinkinder-Verwahrschule“, die Nähschule und ambulante Krankenpflege standen nun zur Verfügung. In den folgenden Jahren blühte das Vereinsleben auf (Männerverein, Kirchenchor, Mütterverein, Elisabethenverein, Jünglingsverein, Marienbund), Gemeinde- und Volksmissionen wurden abgehalten, Messdiener ausgebildet.
Zum 1. April 1913 wurde die Pfarrvikarie St. Johannes Ap. zur eigenständigen Pfarrei erhoben. 1922 lebten in Unterliederbach insgesamt 5.694 Bürger, unter ihnen 2.250 Katholiken. Ihre Zahl stieg bis Kriegsende beständig an. Als es 1956 rund 5.000 Katholiken gab, wurde die ursprüngliche Kirche zu klein. Bischof Wilhelm Kempf stimmte dem Abriss der alten Kirche zu, um am selben Platz einen Kirchneubau und eine neues Pfarrhaus zu errichten. Zur Finanzierung dieses großen Projekts wurde ein Kirchbauverein, das „Johanneswerk“ gegründet. Architekt Paul Johannbroer entwarf ein Modell der neuen Kirche. 1960 wurde die alte Kirche abgerissen und 1961 der Grundstein für den Neubau gelegt. Am 13. Mai 1962 konnte die neue Kirche geweiht werden. Damals befand sich die Katholikenzahl mit 7.600 Gläubigen auf dem Höhepunkt.
Soziale Stadt und Caritas-Pfad
Seit Gründung der Pfarrei gehört die Sorge um Menschen in existenziell schwierigen Situationen zu einer der vordringlichsten Aufgaben. Seit 1973 stand die Pfarrei mit dem Caritasverband Frankfurt in Verhandlung, wie Familien in sozial schwieriger Lage besser unterstützt werden könnten. Dennoch wurde die soziale Situation in „Unterliederbach-Ost“ in den 80er Jahren immer schwieriger. Bald galt das Viertel als „sozialer Brennpunkt“. Der 1991 gewählte Pfarrgemeinderat wollte gemeinsam mit dem seit 1990 in Unterliederbach eingesetzten Pfarrer Werner Meuer nicht tatenlos zusehen, wie die gesellschaftlichen Realitäten im Stadtteil immer mehr auseinander drifteten. Sie wussten aber auch, dass dafür eine fachliche Begleitung nötig war. Ein erster Schritt in die Richtung „Kirche im Stadtteil“ bestand deshalb in der Einrichtung eines Gemeindenetzes.
Die karitative Arbeit wird bis heute mit hohem Engagement fortgesetzt. Seit 2004 besteht der Second-Hand-Laden im Werkhof, die Pfarrei wurde Mitglied im Beirat Soziale Stadt. 2005 gründete sich der Nachbarschaftsverein, 2006 wurde der Kinder-Kleider-Korb in den Kleiderladen integriert, 2009 öffnete das Geschäft „Kleider am Alleehaus“. Was es heißt, in einer Pfarrei Liturgie und Diakonie eng zusammenzuführen, wird seit 1996 Interessierten auf dem sog. „Caritaspfad“ nahgebracht. In einer Art Spaziergang, der immer vor und in der Pfarrkirche beginnt, werden die aktuellen Initiativen in der Zusammenarbeit von Pfarrei und Caritasverband abgelaufen und erklärt. Seit einigen Jahren gehört der Caritaspfad zum Ausbildungsprogramm der angehenden Gemeinde- und Pastoralreferenten sowie der Diakone in Vorbereitung auf die Priesterweihe. (dw)