LIMBURG/WIESBADEN/FRANKFURT, 19.10.2020
Fragen, Klagen und das Danach
„Warum es diese verdammten Seuchen überhaupt geben muss, bleibt als offene Frage und laute Klage“: Wer möchte diesem Stoßseufzer von Gotthard Fuchs, Priester und Autor im Bistum Limburg, nicht aus vollem Herzen zustimmen. Er findet sich in einem außergewöhnlichen Bildband, der unter dem Titel „Auf dem Weg zum Kreuz“ Meditationen in Zeiten der Corona-Pandemie versammelt. Die beiden Herausgeber, Martin W. Rambs und Holger Zaborowski, hatten Autorinnen und Autoren eingeladen, Stationen des Kreuzwegs vor dem Hintergrund der Corona-Krise zu erschließen. Die dabei entstandenen eindringlichen Texte geben Wut und Trauer, aber auch Trost und Hoffnung in dieser Zeit eine Stimme. Dass der Kreuzweg hier auf berührende Art in die Gegenwart geholt wird, dazu tragen maßgeblich die Fotos bei, die, teilweise schon zu Ikonen geworden, die Ausnahmesituation ins Bild bringen.
Eins plus eins ergibt drei
Die Aufforderung „Einer trage des anderen Last“ gewinne jetzt einen tieferen, spirituellen Sinn, schreibt Dr. Susanne Nordhofen, Schulleiterin der Bischof Neumann-Schule in Königstein, über Simon von Kyrene. Einem anderen das Kreuz zu tragen, sei eine schreckliche Art zu helfen, aber Simon sei der Letzte gewesen, der menschlich an Jesus gehandelt habe. In allen Beziehungen sei Gott der imaginäre Dritte: Im Sinne dieser ethischen Mathematik ergebe eins plus eins drei. Das gelte auch unter den fürchterlichen Bedingungen des Sterbens unter Corona. Der Publizist und Theologe Eckhard Nordhofen schreibt über das Schweißtuch der Veronika. Solche schönen Legenden würden in Schubladen knapp unter der Realität abgelegt. Es gebe aber Wahrheiten, „für die wir die Grenze des Sichtbaren verlassen müssen.“ Ohne sie seien wir ärmer.
Die Maske als Symbol der Nächstenliebe
Zuwendung auf Distanz: So bringt Martin W. Ramb, Chefredakteur des Magazins Eulenfisch und Abteilungsleiter im Bischöflichen Ordinariat Limburg, eine der merkwürdigen Folgeerscheinungen der Krise auf den Punkt und fragt: „Ist es nicht seltsam, dass heute ein Stück Stoff vor Mund und Nase zu einem paradoxen Symbol der Solidarität und Nächstenliebe geworden ist“? Die Benediktinerin Dr. Maura Zátonyi der Abtei St. Hildegard in Eibingen beschäftigt sich mit dem „Danach“ der Krise und dem „Nach-dem-Danach“. Die wahre Grablegung bestehe darin, die Illusion aufzugeben, „dass unser Ziel darin bestünde, zur Normalität zurückzukehren.“
Auferstehung mitten im Leben
Harsche Worte für die „Herren, die mit dem Tod uns regieren“ findet der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz. In seinem Text zur Auferstehung bezeichnet er „die gegelte Geldgier, die Gleichgültigkeit gegenüber dem Elend im Süden, das himmelschreiende Unrecht an den Tieren“ als Glieder in der Lieferkette des Todes. Der Tod aber, so die hoffnungsvolle Botschaft, könne nicht einfach machen, „was er will“. Manchmal gelinge der Aufstand gegen den Tod, eine Auferstehung mitten im Leben.
Weitere Beiträge stammen von Thomas Brose, Makrina Finlay, Margareta Gruber, Julia Knop, Jeremia Marianne Kraus, Klaus Mertes, Ursula Nothelle-Wildfeuer, Patrick Roth, Elmar Salmann, Johannes Schaber, Thomas Sternberg, Clara-Elisabeth Vasseur, Ingrid Wegerhoff, Hieronymus Weißbäcker, Holger Zaborowski.
Auf dem Weg zum Kreuz. Meditationen in Zeiten der Corona-Pandemie. Hrsg. von Martin W. Ramb und Holger Zaborowski, EOS-Verlag, Reihe Edition Denkbares.