31.10.2016
Kaffeeklatsch als Kontaktbörse
FRANKFURT.- Das Waffeleisen ist in Dauerbetrieb, es duftet nach frischem Kaffee, selbst gebackene Kuchen verlocken zum Zugreifen: Nichts Ungewöhnliches für ein Café. Und doch ist alles anders: die Gäste kommen aus Syrien und Eritrea, aus Ecuador und Afghanistan. Lebhaft unterhalten sie sich mit ihren deutschen Tischnachbarn. Wo die Worte nicht reichen, wird gestikuliert und viel gelacht. Das Baby des jungen Paares aus Eritrea strahlt in die Runde, die vier Kinder einer kurdischen Familie beginnen zaghaft mit einem kleinen Jungen aus dem Nordend zu kicken.
Es ist cafe deutschland-Zeit im Gemeindezentrum der katholischen Kirche St. Bernhard im Nordend: Jeden Samstag von 15 bis 17 Uhr treffen sich hier Geflüchtete, Ehrenamtliche, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, und andere Interessierte, trinken gemeinsam Kaffee, rede über Gott und die Welt, spielen, lachen, lernen sich kennen. Seit Mai gibt es diese offenen Treffpunkte, ein Projekt der katholischen und evangelischen Kirche für Flüchtlinge und interessierte Bürger in Frankfurt. Mehrmals in der Woche gibt es an verschiedenen Orten in der Innenstadteinen solchen Kaffeeklatsch als Kontaktbörse. Für die Geflüchteten eine gute Chance, das in Deutschkursen Gelernte im lockeren Gespräch anzuwenden. Aber auch Hilfe und Information werden hier, falls nötig, vermittelt.
Private Kontakte knüpfen
Für die deutschen Gastgeber sind die Nachmittage genauso wertvoll. Marianne Brandt aus der Gemeinde St. Bernhard organisiert die Treffen mit einer Reihe ehrenamtlicher Mitstreiterinnen. Der Helferkreis kocht Kaffee, dekoriert die Räume, deckt die Tische. Kuchen werden immer wieder gespendet. „Schön ist, dass auch viele Ehrenamtliche kommen, die gar nicht zu unserer Gemeinde gehören, einfach, weil sie gerne etwas Sinnvolles für die Geflüchteten und mit ihnen tun wollen“, sagt sie.
Etwa 16 bis 20 Geflüchtete nehmen jedes Mal an den Kaffeerunden teil. „Uns ist es ein Anliegen, dass die Menschen hier privat Kontakte knüpfen können, vielleicht auch mal etwas miteinander unternehmen“, erzählt Marianne Brandt. Denn für die Flüchtlinge ist es aller Erfahrung nach schwer, deutsche Freunde zu gewinnen und einfach mal Deutsch zu sprechen. Das berichten auch Mahmoud, Qusay und Shadi. Die drei jungen Syrer radebrechen mit Begeisterung. Sie sind schon zum vierten Mal in St. Bernhard, ihnen schmeckt der Kuchen, und die Unterhaltung klappt von Mal zu Mal besser.
Themennachmittage erweitern das Angebot
Wichtig ist den Helfern auch der Kontakt zu Frauen und Familien. Doch das ist nicht so einfach, weiß Marianne Brandt. Deshalb soll es jetzt einmal im Monat Themencafés geben. An diesem Samstag ist deshalb Ingrid Noll dazu gestoßen, die den Frauentreff in Liebfrauen organisiert. Sie weiß, welche Probleme Frauen mit Kindern umtreiben und hat die richtigen Gesprächsangebote zur Hand. Am 19. November ist ein großes Kartoffelfeuer geplant, mit Kinderpunsch für die Kleinsten, um die Isolation der Frauen zu durchbrechen.
Das cafe Deutschland gibt es regelmäßig montags in der evangelischen Petersgemeinde, Jahnstraße 20, dienstags im Haus der Volksarbeit, Eschenheimer Anlage 21, mittwochs im Holzhausenschlösschen, Justinianstraße 5, und samstags in St. Bernhard, Eiserne Hand 2-4, immer von 15 bis 17 Uhr. Der Projektname cafe deutschland nimmt übrigens die Idee einer gleichnamigen Bildreihe des Düsseldorfer Künstlers Jörg Immendorf aus den 70er und 80er Jahren auf. Großformatige Bilder eines Caféraums machten damals die Brüche und Gegensätze des geteilten Deutschlands sichtbar und setzten sie gleichzeitig ins Verhältnis. Heute will cafe Deutschland einen Beitrag zur Willkommenskultur in Frankfurt leisten. Geflüchtete, die in großen Unterkünften leben müssen, finden hier nachmittags angenehme Aufenthaltsorte in der Innenstadt. Interessierte Einheimische, die tagsüber Zeit haben, können auf unkomplizierte Art und Weise auf die Flüchtlinge zugehen, ein Gewinn für beide Seiten, wie ein Cafébesuch im Nordend zeigt. (dw)
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