Das Serielle des Christentums
Es ist jedes Jahr das Gleiche: Fastnacht, Aschermittwoch, die Fastenzeit, schließlich Ostern. Und glaubt man dem Frankfurter Künstler Thomas Bayrle ist diese immer gleiche Wiederholung das eigentlich Neue. Beim Aschermittwoch der Künstler, zu dem das Bistum Limburg seit nunmehr 59 Jahren Kunstschaffende aller Genres einlädt, betont Bayrle als diesjähriger Hauptgast, jede einzelne Wiederholung etwa eines Gottesdienstes, der Wandlung von Brot und Wein in Christi Leib und Blut, sei ähnlich wie das Ein- und Ausatmen, einmalig und doch immer gleich: „Und das ist einfach großartig. Wir müssen nichts Neues erfinden, nicht ‚ originell‘ werden, das wäre sträflich“, versichert er den gut 200 Zuhörern im Haus am Dom, dem Kulturzentrum des Bistums in Frankfurt.
Im Gespräch mit der Theologin Viera Pirker (Wien) wird schnell deutlich, wie stark das Werk des Malers, Grafikers und Objektkünstlers von religiösen Motiven durchzogen ist: Motoren klingeln im Gesang des Hochamts, Autobahnen treten an die Stellen der Blutbahnen Jesu, die Muttergottes mit Kind ist aus Kreuzsymbolen zusammengesetzt, sodass der Herzrhythmus des Christentums alle Lebenssphären durchdringt.
Die Intensität des Katholischen liegt in der Wiederholung
Der ursprünglich in der evangelischen Kirche großgewordene Bayrle bekennt sich eindringlich zur Intensität des katholischen Glaubens, die ihm in der täglichen Frühmesse in seiner Heimatstadt ebenso wie im nachmittäglichen Rosenkranzgebet der Hausfrauen, die vom Einkaufen kommen, oder im „Runterleiern“ von drei Vaterunsern Kraft gibt und einem täglichen Gang zur Tankstelle gleichkommt. Das Serielle, das auch seiner Kunst ein Gesicht gibt, scheint hier grundgelegt, auch wenn er die Präzision und Schönheit eines Flugzeugmotors mit dem Bau der Kathedrale von Reims vergleicht.
Bayrle wurde 1937 in Berlin geboren und wuchs in der Nähe von Gelnhausen auf. Nach einer Lehre als Weber in Göppingen studierte er an der Werkkunstschule Offenbach. Zunächst beschäftigte er sich mit Literatur und bildkünstlerischen Reproduktionstechniken. Bayrle ist Mitbegründer der Gulliver Presse, die Künstlerbücher und Editionen verlegt. Er arbeitet mit neo-dadaistischen und Pop-Art-Stilmitteln. Bayrles politische Arbeiten thematisieren die kapitalistische Gesellschaft und die Entindividualisierung des Menschen in der Masse. Von 1972 bis 2002 lehrte er an der Städelschule.
Bischof: Fastenzeit ist Bedenkzeit
Im anschließenden Gottesdienst im Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus verweist der Bischof von Limburg, Georg Bätzing, darauf, dass die Fastenzeit alljährlich eine Bedenkzeit ist. Als „Gedenktag der Vertreibung aus dem Paradies“ mache sie den Menschen klar, dass Lebenszeit bloß ein Intermezzo sei. Und doch stecke in den 40 Tagen der Fastenzeit auch eine Chance: „Die Chance zur Umkehr, wenn wir anfangen zu bedenken, woher wir kommen, was aus uns geworden ist und was drin steckt, wenn wir Gott ins Auge fassen.“ Nötig sei alle Jahre wieder, eine „ehrliche Bestandaufnahme über den Ernst der Lage, aber in großer Zuversicht auf einen Ausweg und ein glückliches Ende.“
Der Brauch des Aschermittwochs der Künstler geht auf den französischen Schriftsteller Paul Claudel (1868-1955) zurück. Ein mit Claudel befreundeter Kölner Stadtdechant hatte dessen Idee nach dem Zweiten Weltkrieg aufgegriffen und sie erstmals 1950 von Paris nach Köln gebracht. Seither wird der Aschermittwoch der Künstler auch hierzulande gefeiert.
Mit dem Aschermittwoch beginnt in den christlichen Kirchen die siebenwöchige Fastenzeit bis Ostern. Sie erinnert an die 40 Tage, die Jesus vor seinem Tod fastend und betend in der Wüste verbrachte. In der katholischen Kirche werden an diesem Tag seit altersher die Palmzweige des Vorjahres verbrannt. Aus der so gewonnenen und gesegneten Asche zeichnen Priester den Gläubigen ein Aschenkreuz auf die Stirn. Es soll die Menschen an ihre Vergänglichkeit erinnern und sie zur Umkehr aufrufen. Dazu spricht der Priester die Worte „Gedenke Mensch, dass Du Staub bist und zum Staub zurückkehrst“.