Nasse Ponys und glückliche Kinder


Die 72-Stunden-Aktion
Im Bistum Limburg sind die mehr als 50 Gruppen am Donnerstag pünktlich um 17.07 Uhr in die bundesweite 72-Stunden-Aktion gestartet. Dazu gab es dezentrale Eröffnungsveranstaltungen in den sechs Koordinierungskreisen (Ko-Kreisen) des Bistums. Bis Sonntag, 21. April, engagieren sich etwa 1.500 Kinder und Jugendliche und setzen viele soziale Projekte um. Diese reichen von Umweltschutzmaßnahmen über die Renovierung von öffentlichen Einrichtungen bis hin zur Unterstützung von bedürftigen Menschen. Weitere Infos zur Aktion: https://72stunden.bistumlimburg.de
Charlotte beäugt die nassen Sprossen der Leiter. Es regnet in Strömen – doch das Dach des Backhauses auf dem Abenteuerspielplatz Colorado muss neu gedeckt werden. „Kletter nur hoch, wenn du dir sicher bist, dass du nicht ausrutschst“, sagt Alexander Schrörs, Gruppenleiter des Pfadfinderstammes St. Bonifatius aus Sachsenhausen. „Du weißt selbst am besten, was du dir zutraust.“ Die 14-Jährige überlegt kurz, dann steigt sie auf die Leiter und nimmt das löchrige Dach in Augenschein. Ihr Urteil: „Hier muss ganz schön was gemacht werden, wir brauchen Holz!“
Alexander Schrörs und Katharina Hesselbach verbringen, gemeinsam mit zehn Pfadfinderinnen und Pfadfindern zwischen zwölf und 14 Jahren aktuell drei Tage auf dem Abenteuerspielplatz am Dornbusch, inklusive drei Übernachtungen – im Rahmen der 72-Stunden-Aktion nämlich, bei der deutschlandweit junge Menschen aktiv sind, um die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen. Auf dem Colorado-Gelände bedeutet das konkret: Das Backhaus-Dach wird dicht gemacht, der Lehmputz wieder aufgefrischt und das Rampenhaus für Rollstuhlfahrer:innen ausgebaut. Dass es am Freitag durchgehend regnet, ist zwar etwas nervig, hält die motivierte Gruppe aber nicht von der Arbeit ab. Für die Jugendlichen ist es vor allem schön, dass ihre Arbeit sichtbare Erfolge bringt. „Den Pizzaofen im Backhaus zum Beispiel können wir nach dem Arbeitseinsatz gleich mal anfeuern“, meint Holger Wiegel vom Abenteuerspielplatz, der die Gruppe gemeinsam mit seiner Kollegin betreut – und der über das Wetter sagt, Regen sei auch nur „flüssiger Sonnenschein“. Sozialarbeiterin Jani Elsheimer fügt an: „Wir freuen uns sehr über die Hilfe. Auf dem Spielplatz hört die Arbeit ja nie auf.“

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Weil das so ist, kommen auch regelmäßig andere Gruppen, zum Beispiel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Banken und anderen Unternehmen, um auf dem Gelände einen sogenannten „Social Day“ zu verbringen und etwas Gutes zu tun. Pfadfinderin Helena kann’s verstehen: „Es macht einfach Spaß, etwas für andere zu tun und Kindern so zu helfen.“
Truthähne haben Hunger
Im Kobelt Zoo in Schwanheim profitieren Kinder nur in zweiter Linie vom 72-Stunden-Einsatz des Pfadfinderstammes Charles de Foucauld aus Niederrad. Die Betreuer Sarah Braun und Johnny Santana sind mit 25 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf dem Gelände unterwegs, füttern Tiere, misten Ställe aus und reparieren Zäune. „Der Zoo eröffnet am 1. Mai und wir helfen, ihn frühlingsfein zu machen“, erklärt Sarah Braun. 300 Tiere auf 17.000 Quadratmetern gibt es hier, da ist viel zu tun. „Für uns ist es der perfekte Einsatzort, weil der Zoo alle Altersstufen aus unseren Gruppen anspricht, deshalb sind wir auch schon zum dritten Mal hier im Rahmen der 72-Stunden-Aktion“, so die Leiterin. Die Geschwister Maja (14) und Noah (12) sind mit dabei und helfen, den Truthahnkäfig auszumisten. Zoo-Mitarbeiter Sascha Vogt zeigt ihnen, wie sie die Tiere mit Futterpellets füttern können, dazu gibt es frischen Salat. „Wir haben zwar auch Haustiere zuhause, aber Truthähne haben wir noch nie so aus der Nähe gesehen“, erzählen die Zwei. Dass es so stark regnet und sie mindestens so durchnässt sind wie das triefend nasse Pony im Nachbargehege, sehen sie gelassen: „Es ist halt noch nicht Sommer.“ Und immerhin geht’s zum Übernachten wieder nach Hause.
Mädchen an schweren Maschinen
Vom Regen wenig beeinträchtigt sind die 15 Kinder und Jugendlichen zwischen sieben und 18 Jahren, die derzeit in St. Wendel in Sachsenhausen Holzmöbel abschleifen und neu lasieren, eine Bank und eine Gartenhütte bauen und alles Mögliche reparieren. Der Pfadfinderstamm Marcel Callo, eigentlich beheimatet in Nieder-Erlenbach, campiert im Gemeindehaus – und konnte viele der Arbeiten kurzerhand nach Drinnen verlegen. Lara (16) ist im Schleifraum beschäftigt, aus dem lautes Surren und Quietschen durch die geschlossenen Türen in den großen Saal dringt. Hier schleift sie mit einer Maschine eine Holzbank ab. Besser wärs natürlich draußen, aber so trägt sie gegen den Staub eben eine Maske. „Ich finde die Aktion hier richtig cool“, meint sie. Zwar sei sie ziemlich aufgeregt gewesen, zu erfahren, welches Projekt ihre Gruppe bekommen würde – immerhin haben sich die Marcel Callos ihre Aufgabe nicht selbst ausgesucht, sondern sich überraschen lassen. „Aber ich hab mich sehr gefreut, es macht viel Spaß.“ Peter Grünzner, Simon Klinger, Tobias Klüsener und David Gettke sind gemeinsam mit vier weiteren Personen für die Leitung der großen Gruppe zuständig. „Das Wetter ist halt blöd“, räumt Tobias Klüsener ein. „Aber als Pfadfinder ist man an Regen gewöhnt.“ Klar gebe es immer Teilnehmende, die motiviert seien als andere. Aber auch für die, die weniger Lust hätten, fände ich immer eine kleine Aufgabe. Dass am Sonntag in St. Wendel Erstkommunion gefeiert wird, ist ein Anreiz, alle Aufgaben von der Liste so gut und schnell abzuarbeiten wie möglich: „Wir denken schon, dass die Leute sich freuen werden“, sind die Pfadfinder:innen überzeugt.
Insgesamt machen in Frankfurt derzeit zehn Gruppen und 220 Kinder mit. Die Pfadfinder aus Oberrad gestalten den Garten der KinderKulturFarm Frankfurt um, die Franziskusjugend legt einen Pfad durch den Garten des Jugendhauses Goldstein an, die Firmlinge von St. Marien / St. Josef organisieren auf Einladung der aufsuchenden Kinder- und Jugendarbeit auf dem Bolzplatz der Henriette Fürth Straße ein Nachbarschaftsfest. Die Gruppe DJK Zeilsheim legt Hochbeete auf dem Gelände von St. Aposteln an, die Kita Rosengarten wünscht sich vom DPSG Stamm Don Bosco Schwanheim ebenfalls Hochbeete und die KGS Niederrad werkelt an Ergänzungen für den sogenannten Care-Table des Altenzentrums Santa Teresa, einem digitalen Tisch für die Pflege. Im Vorfeld selbst ausgesucht hatte sich die Jugend der Pfarrei St. Hildegard das Anlegen eines Fühlpfades auf dem Gelände der Kita St. Lioba.

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Viel Himmel braucht diese Erde
Actionreiche Spiele, Popcorn und Indie-Rock: Bischof Georg Bätzing hat am Donnerstagnachmittag mit rund 220 Kindern und Jugendlichen den Auftakt zur 72-Stunden-Aktion in der evangelischen Jugendkulturkirche St. Peter gefeiert. „Den Ort haben wir sehr bewusst gewählt, immerhin sind auch zahlreiche nicht-katholische Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei“, sagte Miriam Großmann, Jugendbildungsreferentin der Jugendkirche JONA. „Aber abgesehen davon ist es auch einfach eine coole Location.“
Das fanden auch die zahlreichen jungen Gruppen, darunter Pfadfinder, Firmanden, Ministranten, eine Schulgruppe und Jugendliche aus den Pfarreien, die vor der Bühne zur Musik der Frankfurter Indie-Band „Sun’s Sons“ feierten. Und zugleich ziemlich aufgeregt waren. Denn nur drei der zehn Gruppen, die sich für Frankfurt angemeldet hatten, haben sich ihre Projekte selbst ausgesucht. Die restlichen Sieben hatten sich im Vorfeld für sogenannte „Get-it“-Projekte angemeldet, erfuhren also erst kurz vor dem Ablauf des Countdowns, wie sie die nächsten 72 Stunden verbringen werden. Mit verschiedenen actionreichen Spielen näherten sich die Gruppen der großen Bekanntgabe an. Moderator Jens Kölker brachte Gruppen und Projektpartner:innen schließlich zusammen und fragte natürlich auch nach, wie zufrieden die Gruppen mit den ihnen zugewiesenen Projekten sind. „Ich bin glücklich, solange wir nicht wieder eine Kita aufräumen müssen“, sagte ein Mädchen, dem die Kreativität beim letzten Mal zu kurz kam. Insgesamt wirkten alle Gruppen zufrieden mit ihren Aufgaben, für die sie nun vier Tage Zeit haben.
Bischof Georg zeigte sich beeindruckt von den Projekten – und von der Begeisterung der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. „Ich bin stolz, mein Herz geht meilenweit auf“, sagte er im Interview mit dem Moderator, das auch live auf YouTube gestreamt wurde. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sagte er: „Euer Engagement ist sehr wichtig. Denn viel Himmel braucht diese Erde.“ Die ehrenamtliche BDKJ-Diözesanvorsitzende Ronja Röhr gab den Gruppen den Tipp mit auf den Weg, zwischendrin öfter mal Pause zu machen, dann klappe es auch mit der Zusammenarbeit. Und der BDKJ-Bundesvorsitzende Gregor Podschun freut sich schon jetzt auf nachhaltige Kontakte, die seiner Erfahrung nach auch über die Aktion hinaus halten.