Wenn die Krone brennt
Aktuell tourt Pastoralreferent Jan Quirmbach mit einer besonderen Aktion durch Frankfurt: Mit kleinen Holztäfelchen, auf die man selbst Worte und Symbole einbrennen kann, möchte er auf das wichtige Thema Menschenwürde aufmerksam machen, um die es auch in Deutschland nicht immer gut bestellt ist. Das Kreativprojekt dient dazu, mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen über ihre Vorstellung vom abstrakten Begriff Würde ins Gespräch zu kommen und sie als Botschafter:innen zu gewinnen, die im Alltag genau hinschauen, wenn Würde verletzt wird. Mit der Aktion ist Jan Quirmbach zum Beispiel in Schulen oder an öffentlichen Orten wie dem Punctum in der Innenstadt unterwegs. Im Interview erklärt der die Hintergründe.
Jan, die Idee stammt ursprünglich von Diakon und Holzbildhauer Ralf Knoblauch und ist verknüpft mit seiner Ausstellung von zehn Königsfiguren, die sich mit der Thematik der menschlichen Würde künstlerisch auseinandersetzen. Wie bist du damit in Berührung gekommen?
Ich habe Kontakt mit Ralf Knoblauch aufgenommen, weil ich seine Königsfiguren gerne für eine Veranstaltung zu 75 Jahren Grundgesetz nach Frankfurt geholt hätte. Er hat mich eingeladen, bei ihm vorbeizukommen und bei einer Aktion zum Thema Würde dabeizusein. Ich fuhr also hin – und landete just bei der Gründung der Initiative für Demokratie und Menschenwürde, die eben diese Würde-Tafeln brennt. Hinter der Initiative stecken sechs Leute rund um Ralf Knoblauch, denen es wichtig ist, in diesem Jahr, in dem so viele Wahlen sind, Demokratie und Menschenwürde zu stärken. Denn dass unsere Demokratie stark bleibt, ist alles andere als selbstverständlich. Die Gruppe möchte ein sichtbares Zeichen setzen. Mich hat das sehr angesprochen, denn Frankfurt ist mit der Paulskirche die Wiege der deutschen Demokratie. Deshalb passt das so gut hier her – und die Tafeln sind ein wunderbares Vehikel für diese Botschaft.
Auch deshalb, weil man sie auf verschiedene Weisen gestalten kann und so einen persönlichen Zugang findet?
Genau. Entweder man brennt einfach den Schriftzug „Würde unantastbar“ und die Krone hinein. Oder man kann sie auch ganz aufwendig verzieren, bemalen und gestalten, wie viele das auch bei der Würdetafelwerkstatt vor dem Punctum gemacht haben. Wenn die Leute sind dann mitnehmen und aufstellen, wo viele sie sehen können, erinnern sie sehr schön daran, dass Menschenwürde ganz, ganz wichtig und eben nicht selbstverständlich ist.
Du möchtest gerne, dass möglichst viele Menschen mitmachen. Kann man die Brennstempel bei dir ausleihen?
Ja, man kann die Stempel ausleihen. Beim Originalkünstler Ralf Knoblauch, der mittlerweile mit verschiedenen Kooperationspartnern zusammenarbeitet, um sie auf möglichst breite Füße zu stellen. Aber wir haben auch für Frankfurt in der Pfarrei St. Katharina von Siena jetzt einen Satzstempel produzieren lassen, ebenso wie die Jugendkirche Jona. Die können bei uns für Veranstaltungen, Feste, Workshops und ähnliches ausgeliehen werden.
Woher kommen denn die Holztafeln, in die die Worte und Symbole eingebrannt werden?
Da hatte ich Glück. Ich habe beim Holzgroßhandel Göbel angefragt, direkt um die Ecke von unserer Pfarrei. Der Chef sagte sofort, ja klar, ich habe da eine Lieferung, die lasse ich dir in der gewünschten Größe zuschneiden und stelle sie dir zur Verfügung. Zunächst hat er geschätzt, dass es 600 Täfelchen werden können, am Ende waren es um die 2500. Etwa 1000 davon haben wir mittlerweile gebrannt, der Rest wartet noch, zu Würdetafeln zu werden.
Du bist mit dem Projekt viel unterwegs. Wie reagieren die Leute denn auf die Idee?
Bisher hatten wir Workshops im Riedberg-Gymnasium und in der Josephine Baker-Gesamtschule, dort waren wir in insgesamt sechs Klassen mit dem Workshop. Dazu war ich noch in fünf Kindertagesstätten und im Altenheim, auf verschiedenen Festen und bei verschiedenen Gottesdiensten zum Thema. Die Schülerinnen und Schülern sind dem Ganzen mit Interesse und großer Offenheit begegnet und direkt in die Diskussion eingestiegen. Wir haben darüber gesprochen, wo auf der Welt Menschenwürde aus politischen Gründen in Gefahr ist, aber wo das auch im eigenen Leben passieren kann. Die Bandbreite der Themen, die von den Schülerinnen und Schülern eingebracht wurden, hat mich beeindruckt. Die Würde von Usern auf Social Media, der Schutz von obdachlosen Menschen oder Menschen ohne Arbeit, natürlich auch die Kriege dieser Welt, Israel und Gaza, die Ukraine, weil natürlich im Krieg die Menschenwürde massiv mit Füßen getreten wird. Außerdem ging es auch um Themen wie Datenschutz, der für manche Schülerinnen und Schüler eng mit der Würde verknüpft ist.
Wie ist es denn um die Menschenwürde im Alltag bestellt?
Würde ist ja erstmal ein ziemlich abstrakter Begriff, den man erklären muss. Ich glaube, darauf hat fast jeder eine unterschiedliche Antwort. In Deutschland halten wir Menschwürde oft für selbstverständlich, erst der zweite Blick zeigt, dass wir damit auch falsch liegen können. Es gibt Parteien, die die Menschenwürde aufweichen wollen, die wollen Menschen einen unterschiedlichen Wert zuschreiben. Da ist es natürlich wichtig, dass wir genau hingucken und ganz entschieden für die Würde nach dem christlichen Weg eintreten, die jeder Mensch hat und die nicht verhandelbar ist. Egal, wo der Mensch herkommt, egal welche Sprache er spricht, egal welche Religion er hat, egal welche Sexualität. Uns geht es darum, darüber zu sprechen, wie Würde geschützt werden kann, im Kleinen wie im Großen.
Aktionen wie im Punctum bringen viel öffentliche Aufmerksamkeit. Wie viele Leute haben denn da mitgemacht?
Vor dem Punctum standen wir zwei Tage. Dort hatten wir die Würdetafelwerkstatt dabei, also die Brennstempel und auch bunte Farben. Viele Menschen sind stehengbelieben und haben unsere Einladung angenommen, selbst eine Tafel zu gestalten – Passanten, Frankfurt-Besucher:innen, Jugendgruppen. Auf diese Weise wurden gut 130 Tafeln ausgegeben. Die jüngsten Teilnehmenden waren im Kindergartenalter, die älteste Dame würde ich auf Mitte, Ende 80 schätzen. Für mich sind das 130 neue Würdebotschafterinnen und -botschafter in Frankfurt, die das Thema nun auch wieder in ihre Bezüge bringen. Das ist wunderbar.