Von karg zu köstlich
Auf den weiten Betonflächen von St. Ignatius blüht und sprießt es, Bienen und Hummeln summen zwischen Blumen und üppigem Grün. Pater Christoph Soyer beugt sich über ein Hochbeet, das er selbst aus Europaletten gezimmert hat, und streicht mit den Fingern über die Blätter einer riesig gewachsenen Tomatenpflanze. „Unsere Jugendlichen würden wohl sagen, die ist eskaliert“, schmunzelt er und zupft ein braunes Blättlein von einem mit Draht stabilisierten Ast ab.
Pater Soyer, seit August vergangenen Jahres in St. Ignatius im Westend, hat unbestreitbar einen „grünen Daumen“. Und das liegt nicht nur daran, dass er vor dem Theologiestudium eine Gärtnerlehre abgeschlossen hat. „Das ist 30 Jahre her und ich habe nie in dem Beruf gearbeitet. Aber ich mache die Erfahrung, dass gemeinsame Projekte Menschen zusammenbringen“, sagt er. „Und darum geht es.“
Ganz schön steinlastig hier
Wenige Wochen, nachdem der Jesuitenpater nach Ignatius kam – die Kirche liegt passenderweise im Gärtnerweg – startete er sein Gartenprojekt. „Im Sommer ist es hier schön grün, das liegt auch am Wein, der den Turm hochwächst“, so Soyer. „Doch dann wurde es Herbst und ich stellte fest, dass der Hof rund um die Kirche ganz schön steinlastig ist.“ Mit anderen Worten: karg. Er beschloss, die betonierte Umgebung mit den Mitteln, die ohnehin zur Verfügung standen, grüner – und leckerer – zu gestalten. Zunächst reinigte und bepflanzte er acht Waschbetonkübel mit verschiedenen Beerensorten. „Mittlerweile wachsen dort Erdbeeren, Himbeeren, Blaubeeren, Brombeeren, Johannisbeeren“, zählt er auf.
Als nächstes nahm sich der Jesuit das zugewucherte Brachland im Vorgarten hin zur Straße vor. „Ich dachte mir, wenn wir hier Blumen pflanzen, können wir sie als Schmuck für die Kirche verwenden.“ Als Gemeindemitglieder von seinem Projekt erfuhren, wollten sie helfen. „Jemand brachte 40 Kilo Narzissen- und Tulpenzwiebeln, ein anderer fand im Internet gebrauchte Hochbeete und wieder ein anderer kaufte einen Gartenschlauch“, berichtet Soyer.
Gießen beim Gassi-Gehen
Im Frühling wuchsen in den Hochbeeten im Vorgarten bereits Tulpen und Narzissen, mittlerweile Gladiolen, Dahlien und Sonnenblumen. Soyer selbst gießt alle zwei Tage, andere wie eine Frau, die immer morgens auf ihrer Gassirunde mit dem Hund vorbeikommt, hilft. „Wir würden uns über weitere Gießerinnen und Gießer, Gärtnerinnen und Gärtner freuen, doch es soll auch nicht zu verplant sein, sondern einfach Spaß machen“, sagt der Pater.
Hinter der Kirche stehen fünf kleine Hochbeete, die vor etwa zwei Monaten von Kindern und Erzieherinnen der Kita St. Antonius „geschreinert“ wurden. Hergenommen haben sie dafür Weinkisten aus Holz, jeweils vier Beine daran geschraubt, das Holz angemalt und die Kisten mit Vlies ausgekleidet. Anschließend konnte bereits gepflanzt werden. Mittlerweile wachsen dort Erdbeeren, Zucchini, Tomaten und andere Gemüsesorten. Dahinter und um die Ecke stehen weitere Hochbeete, groß und ausladend. Sie hat Soyer aus Europaletten gezimmert. Aus jeder Ritze wächst ein Pflänzchen, alles blüht und duftet. „Die Minze ist ziemlich außer Kontrolle, und hier haben wir Rosmarin, Salat, Erbsen – und was ist das?“ Er zupft ein winziges Blatt ab und kostet es: „Ah, Thymian!“
An einem Drahtgestell wächst Lauch hinauf, im Bodenbeet daneben sind die Blätter von Rhabarber-Pflanzen, Kartoffeln, Tomaten, Rucola, Wein und wieder Beeren zu sehen. „Hier hat auch jemand Senf gepflanzt, das war erst ein Spaß“, erklärt Soyer. „Aber wenn wir daraus Senf mahlen können, warum nicht?“ Weiter geht es mit Radieschen, Petersilie, Kohlrabi und Babykarotten. Auch im Gemüsegarten ist der Gemeinschaftsgedanke spürbar. So züchtete zum Beispiel eine Ministrantin acht Tomatenpflanzen im Topf und brachte sie vorbei, damit sie eingepflanzt werden.
Natürlich hat das Obst und Gemüse, das auf dem Gelände der Westend-Gemeinde so üppig wächst, Bio-Qualität. Die Gemeindemitglieder sind eingeladen, sich hier und da etwas mitzunehmen – im kleinen Rahmen, in Selbstversorgergröße. „Wir haben hier viele junge Familien – und die Kinder können nach dem Gottesdienst das Obst direkt vom Strauch pflücken, Rentner nehmen sich ein Bündchen Schnittlauch mit für die Suppe oder Familien schneiden sich einen Kopfsalat direkt aus dem Beet.“ Auch in der Gemeindeküche können Obst und Gemüse zubereitet werden. Die Idee überzeugte schon kurz nach Start des Projekts auch die Stadtversammlung der Frankfurter Katholik:innen, die es im vergangenen November mit dem zweiten Platz bei der „Schöpfungs-Challenge“ auszeichnete. Das Preisgeld von 500 Euro investierte Pater Soyer natürlich sofort in weitere Europaletten, Metallwinkel und Werkzeug.
Bänke zum Verweilen
Mit einfachsten Mitteln Neues zu schaffen macht dem Pater, der vorher fünf Jahre in München wirkte, Spaß. Deshalb hat er auch bei den Hochbeeten nicht aufgehört, sondern aus weiteren Europaletten eine stabile Bank gezimmert, auf der man im Garten verweilen kann. „Davon möchte ich bald noch weitere bauen und nach vorne stellen, damit man sich auf dem Kirchplatz auch mal hinsetzen kann.“
Pater Soyer ist gespannt, wie das Pflanzenprojekt sich weiter entwickeln wird. Er freut sich aufs Ernten in der zweiten Jahreshälfte – und schon jetzt darüber, dass das Projekt Menschen zusammenbringt: „Es macht mir viel Freude, zu sehen, wie viel Dynamik ein solches Vorhaben bekommt, wie viel Gemeinschaft entsteht, wenn mehrere mitmachen.“