Lieder aus dem Dom: Alles eine Frage der Orgel-nisation
33 Orgelstücke und 33 Lieder aufzunehmen dauert seine Zeit, das könnte man zumindest meinen. Doch Dommusikdirektor Andreas Boltz sagt: „Die Organisation, die Vorbereitung hat sehr viel länger gedauert als das Einspielen; das war in unter vier Stunden erledigt.“
Es ist ein ehrgeiziges Projekt: Um den Menschen in der Corona-Vorweihnachtszeit die ganz besondere Dom-Stimmung auch für zuhause zugänglich zu machen, hat Boltz an der Großen Orgel für jeden Tag vom 1. Adventssonntag bis Silvester einen „Musikalischen Impuls“ und ein Lied aus dem „Gotteslob“ eingespielt. 66 Stücke also. Die „Impulse“ umfassen kurze Orgelwerke von der Barock- bis zur Neuzeit und orientieren sich wie die dazugehörigen Lieder aus dem „Gotteslob“ weitestgehend an den Schrifttexten des entsprechenden Tages. Von den Liedern wurde jeweils ein kurzes Vorspiel und eine Liedstrophe aufgenommen, die man sich einfach anhören oder auch dazu mitsingen kann. Wer das ganze Lied mitsingen möchte, klickt die Datei einfach mehrmals hintereinander an.
Diesmal auch Stücke zum Mitsingen dabei
„Das ist ein spezielles Corona-Angebot, auf die Idee kamen wir rund um Ostern im ersten harten Lockdown“, berichtet der Dommusikdirektor. „Damals hat das Pastoralteam sich gefragt, was wir den Menschen anbieten können, da es ja keine Gottesdienste gab.“ An Ostern nahm er daraufhin 45 Musikstücke auf – und entwickelte den Anspruch, das Angebot für die Weihnachtszeit noch einmal auszuweiten. Um Singstücke nämlich, die das aktuell untersagte Singen in den stattfindenden Gottesdiensten ergänzen können. Das Schwierigste war dabei die Auswahl. Denn die Stücke sollten in die Zeit passen und sollten verknüpft sein mit der Kirchenliturgie.
Zwei späte Abende im Dom
An zwei Abenden, jeweils nach Schließung des Doms am späten Abend, spielte Boltz die Stücke hintereinander weg. Aufgenommen wurden sie mit einer speziellen Ausrüstung, das Mikrofon stand dabei im Kirchenraum vor der ersten Reihe des Südschiffs. „Man sagt, dass die Orgel am besten klingt, wenn man so weit entfernt ist wie die längste Pfeife lang ist“, schmunzelt er. „In unserem Fall sind das zehn Meter.“ Um ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen, wurde das Mikrofon auf einer Höhe von sechs Metern installiert.
„Für mich gibt’s doch nichts Schöneres“
Übrigens, nicht alle Stücke, die er aufgenommen hat, beherrschte der versierte Organist schon im Vorfeld – manche musste er sich auch kurzfristig aneignen. „Bei einem kamen die Noten morgens mit der Post an – und abends haben wir das Stück bereits aufgenommen“, erinnert er sich. Bei der schnellen Umsetzung halfen ihm sein Talent, die große Leidenschaft für das Instrument und die jahrzehntelange Erfahrung. Die sind auch zu spüren, wenn er gefragt wird, ob das denn nicht stressig war, sich unter Zeitdruck ein neues Stück erschließen zu müssen. „Ach was“, sagt Boltz. „Ich liebe das. Es gibt für mich doch nichts Schöneres als das Orgelspielen.“
Beeindruckende Zugriffszahlen
Auch wenn es bisher noch wenig direkte Rückmeldungen gibt, zeigen die Zugriffszahlen auf der Webseite, auf der die Stücke abgespielt werden können, dass das Angebot viele Menschen erreicht: „Wir haben dreistellige Nutzerzahlen pro Tag“, so Boltz. „Die Menschen haben eine große Sehnsucht nach Musik und danach, daheim zu singen.“ Nun denkt der Orgelchef darüber nach, mit den schon aufgenommenen Stücken eine Art Musikbibliothek anzulegen, die ständig erweitert wird.