24.02.2014
"Klingt komisch und is´auch so ? hojahojaho!"
FRANKFURT. - „Kinder ? Küche ? Kerle? Nein!!!“ ? das Leben, es kann so viel bunter sein. In der närrischen Zeit werden weibliche Stimmen laut, die mit Alternativprogrammen protzen: Soll er doch den Müll runterbringen. Und überhaupt: Wer kutschiert die Kinder von A nach B? Und bitte schön: Wann beginnt der Feierabend mal vor 22 Uhr, ohne waschen und bügeln?
Probelauf: St. Josef Höchst
Ein besonderes Weiberfastnachtsspektakel erobert in der Pfarrgemeinde St. Josef in Höchst die Herzen von etwa 130 „Weibern“, die es anders ? eben besser - machen wollen. Für so viele ist Platz im Pfarrsaal. Da ergeht der Aufruf zur „frischen Tat“, um Kinder ? Küche ?Kerle und vielleicht sogar die Kirche in Einklang zu bringen und trotzdem nicht zu kurz zu kommen. Niemand boykottiert oder lamentiert. Ein Abend nur für Frauen. Ein Abend mit Augenzwinkern. Ein Abend, für den geprobt wird und erprobt wird, was jede Frau gern hören will: „Ich geh´ heut Nacht aus, endlich wieder tanzen gehen (?) und wieder diesen Rhythmus spüren (?) Mein Herz, es brennt, wenn ich dich seh!“ Ein „Playbackblock“ mit bekannten Sängerinnen und Sängern verspricht Herz-Schmerz pur, Helene Fischer, Andrea Berg und Beatrice Egli sei Dank. An Fastnacht wird getanzt und gelacht, mit ausgelassener Fröhlichkeit und überschäumender Lebensfreude nicht gegeizt. Es wird eingeheizt.
In den Pfarrsälen der Frankfurter Gemeinden herrscht ein ähnliches Spektakel wie überall sonst zur Fassenacht. Als "fünfte Jahreszeit" gehört die Fastnacht in allen katholischen Ländern zum festen Bestandteil des - nichtliturgischen - Festjahres. Schon um 1200 ist das mittelhochdeutsche Wort vastnacht (= Vorabend des Fasttages Aschermittwoch) belegt. Vor der Fastenzeit wurde der Winter vertrieben, indem man überbordende Vorfrühlings- und Fruchtbarkeitsfeste feierte.
Geprobt wird seit Monaten
Heute gilt der 11.11. als offizieller Fastnachtsbeginn. Doch die Tanzbeine schwingen viele schon viel früher. Die Choreografien müssen schließlich sitzen. Da kommt schon leicht ins Schwitzen, wer nicht regelmäßig mittrainiert. „Auf zwei Drehung rechts, auf vier Hände hoch, auf sechs Hüftschwung links, auf acht wieder in die Reihe.. und von vorne.. zwei, vier, sechs, acht“ ? und immer so weiter. „Manchmal fallen die Proben spärlich aus. Dann, wenn die 15 „Aktivistinnen“ aus St. Josef in Höchst fürs Abitur büffeln, Magisterarbeit schreiben, oder Berufspendler sind und es abends spät wird“, verrät Ursula Cromm (60). Sie koordiniert die Weiberfastnacht in Höchst seit 1979 und weiß, dass das Thema Fasching schon kurz nach Weihnachten wieder groß geschrieben wird: „Da sind die letzten Plätzchen aufgegessen, der Tannenbaum abgeschmückt, die Kugeln im Keller verstaut und schon geht es mit Uffta-Uffta-Tätärä auf die närrische Bühne.“
Das Programm allerdings steht meist schon im November. Da basteln die Frauen schon an den Requisiten für ihre Märcheneinlage. Dieses Jahr ist die Augsburger Puppenkiste zu Gast mit sprechenden Tieren, einem Wetterauer Migranten, der ziemlich grün aus dem Ei schlüpft, einer Lokomotive und einem gierigen Limburger König. Zur Probe so kurz vor dem großen Showdown am 26. Februar sind fast alle Akteure da. Der Zeitaufwand steigt dann rapide. Bis zu vier Mal in der Woche wird geprobt. Von Chaos keine Spur. Auch kein „Zickenalarm“, wie zu vermuten bei solch geballter Frauenpower. „Wir sind ein eingespieltes Team. Fast alle Generationen sind vertreten. Mit steigendem Druck wächst auch unsere Professionalität“, berichtet Christine Nolde (35) alias „Schusch“. Sie sei schon seit Kindesbeinen an Fasching gewöhnt; ihr Vater selber Aktivist, verrät sie stolz. Eine „Närrin“, wie aus dem Stammbuch. „Von klein auf dabei und das mit voller Leidenschaft.“
Ehrenamt mit „Heidewitzka“
Was die 15 Mitwirkenden miteinander verbindet: Was sie tun, tun sie im Ehrenamt. Sie rackern und ackern umsonst, nehmen keinen Eintritt, bewirten selbst, organisieren die Bestuhlung, basteln an Requisiten und führen eigenständig Regie. Dazu kommen Lichtorgel und Tontechnik. Für Ursula Cromm ist das alles zusammengenommen mehr als nur oberflächliches „Heidewitzka“. „Eigentlich ist das auch Gemeindearbeit. Wir stehen füreinander ein und stellen jedes Jahr ein Programm auf die Beine, das sich sehen lassen kann. Zwar im Pfarrsaal, aber warum nicht Kirche und Karneval verbinden und einmal mehr den „Narren“ eine Heimat schaffen?“, konstatiert sie zum Schluss der Probe.
Für heute läuten die „Mädels“ zum Schlussakkord. Zum letzten Mal wird der orientalische Eingangstanz geprobt. Die Hüften schwingen zu indischen Klängen: „auf zwei, vier, sechs, acht?“ Verschwitzt und glücklich über den gelungenen Probenauftakt verlassen sie das Pfarrhaus. Draußen noch keine Spur von Fastnacht. Drinnen das Gefühl eine Närrin und damit nicht alleine zu sein.
Szenenwechsel: Auftritt in St. Josef Bornheim
Noch einmal St. Josef. Dieses Mal in Bornheim. Noch einmal Fassenacht. Dieses Mal die Aufführung des Carneval-Clubs „Josefiner“ am Samstag, 22. Februar. Mit dreifach donnerndem Helau geht es los. Punkt 19.11 fällt der Startschuss. Der Elferrat hält Einzug. „Fußball meets Samba“ ? so das Motto der Faschingssitzung mit Tanz, Musik und Showeinlagen. In der Halle unruhiges Gemurmel und Hände, die scheinbar bis zum Himmel reichen. Es wird geklatscht, geschunkelt und mitgegrölt. Thomas Keppeler begleitet die Szenarien musikalisch.
Neben Büttenreden glänzt das Programm mit tänzerischen Leckerbissen. Ein Höhepunkt des Abends, das Männerballett, dessen farbenprächtige Kostüme ganz dem Motto verschrieben sind. Auch Sitzungspräsident Thomas Niedermaier, der Anführer der Kompanie, schwingt das Tanzbein und hat offensichtlich Spaß an der bauchfreien Kostümierung. „Tanze Samba mit mir, tanze Samba die ganze Nacht!“, ertönt es aus den Lautsprechern. Der Saal steht Kopf, auch dank der umfangreichen Cocktail-Getränkekarte, die Geschmack macht auf Caipis, Tequila, Pina Colada und Cubra Libre. „Für uns eingefleischte Fußball-Fans kommt das Motto wie gerufen“, jauchzt Susanne Münch (53), eine gebürtige Mailänderin. Sie kommt aus der Partnergemeinde Maria Rosenkranz aus Seckbach und hat offensichtlich Spaß, weil das „Motto uns alle total verbindet“, wie sie bekräftigt. Pausen im Programmablauf? Fehlanzeige. Nichts plätschert hier einfach so vor sich hin. Bei der Polonaise zur Halbzeit zucken Arme und Beine. Schunkelstimmung in Reinform. „Mer darf sich ärschern und stöhne, nur des Lache, des darf mer sich net abgewöhne“, lautet der ultimative Trinkspruch des Abends.
Stiller wird´s beim Auftritt der MAR ? der Mitarbeiterrunde. Mit feinsinnigem Humor und einem Sketch der Extraklasse spielen sich die 13 Teilnehmer gegenseitig an die Wand. Die Maus und der Elefant ? bekannt aus der „Sendung mit der Maus“ ? kündigen Fragen an, worauf jeder im Saal schon irgendwie gewartet hat: Wohin mit dem neuen Bischofssitz in Limburg und woher die 31 Millionen für seine Errichtung? Franz-Peter Tebartz-van Elst wird aufs Korn genommen, Benny alias Benjamin Holler, ein waschechter Josefiner an der Bütt, bekennt wiederkehrend: Alles klingt erstmal komisch, ist aber so. Auch das nahende Ende der Sitzung kündigt sich an und ist so, wie alle es sich am Ende wohl erhofft haben. Ein großes Finale mit allen auf der Bühne, die zum bunten Programm beigetragen haben: Brezelbub und Barkeeper, Küchenfee und Kostümbildner, Choreografen und Regisseure und viele mehr. „Wir geh´n, gut Nacht, a tschöö!“ - bis auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr am 17. Februar. (SFi)
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