„Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“
Auch 30 Jahre nach Inkrafttreten der Kinderrechte in Deutschland lässt die Umsetzung einiges zu wünschen übrig. Das wurde beim Vortrag von Kindheitswissenschaftlerin Dr. Katharina Gerarts bei der Sitzung der Stadtversammlung der Frankfurter Katholikinnen und Katholiken am Montagabend in Bockenheim deutlich. Dort informierte Gerarts, seit Oktober 2022 Professorin für Kindheitspädagogik an der International University Mainz, über den aktuellen Stand von Kinderrechten und Kindheit in Deutschland. Dabei unterstrich sie: „Kindheit verändert sich abhängig von den Rahmenbedingungen, und sie hängt davon ab, wie die Gesellschaft auf Kindheit schaut.“ Früher seien Kinder einfach kleine Erwachsene gewesen, die früh ihren Teil zum Familieneinkommen beitragen mussten. Erst mit der Aufklärung sei die Idee einer Bildungs- und Erziehungskindheit aufgekommen, so Gerarts.
Der wichtige gesellschaftliche Blick auf die Kindheit ist in den Augen von Marianne Brandt, Vorsitzender der Stadtversammlung, in der Corona-Pandemie nicht gut gelungen. „Partizipation hat in den ersten zwei Pandemie-Jahren nicht stattgefunden“, sagte sie nach dem Vortrag. „Kinder sind hinten runter gefallen, man hat Schülerinnen und Schüler schlicht und einfach nicht nach ihrer Meinung gefragt, als die Schulen schlossen.“ Manche seien daraufhin regelrecht abgetaucht, andere in kinderreichen Familien beim Lernen sehr benachteiligt worden.
Deshalb hat die Stadtversammlung das Thema Kinderrechte noch einmal separat auf die Agenda gesetzt – und möchte nun in Themengruppen konkrete Schritte erarbeiten, um das Thema in der Stadtgesellschaft stark zu machen. Konkret geht es um Kinderrechte von Geburt an, um Beteiligung von Kindern in Kirchengemeinden und im Stadtleben sowie um das institutionelle Schutzkonzept, das in jeder Pfarrei, jeder Einrichtung und jedem Verband vorgeschrieben ist.
Stadtdekan Johannes zu Eltz sagte in der Versammlung, ihm sei wichtig, dass Kinderrechte nicht erst mit der Geburt beginnen, also von Null ab, sondern „die Null nach vorne auszuweiten“.
In Artikel 3 der 1992 von Deutschland ratifizierten UN-Kinderrechtskonvention heißt es: „Das Wohl des Kindes ist vorrangig zu berücksichtigen“. Ein gutes Ziel, doch auch 30 Jahre nach ihrer Ratifikation ist die Kinderrechtskonvention vielen Menschen noch unbekannt. „24 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben noch nie davon gehört, und zwölf Prozent der Erwachsenen“, zitierte Gerarts den Kinderreport des Deutschen Kinderhilfswerks. Dabei ist die Kinderrechtskonvention sogar ein Bundesgesetz, auch wenn die Rechte von Kindern noch immer nicht explizit ins Grundgesetz aufgenommen wurden.