Getanzte Resonanzen und eine leise platzende Bombe
FRANKFURT.- Die Bombe platzte leise und unerwartet: Zwar waren einige der rund 170 Teilnehmer beim Frankfurter Stadtkirchenforum II am Samstag, 20. Januar, ein bisschen überrascht, dass aus ursprünglich fünf Reformfeldern plötzlich nur noch vier Kernthemen destilliert waren. Das umkämpfte Thema der Segensfeiern war unter dem Punkt "innovative Gottesdienstformen" fast verschwunden. Aber das hatte man im Vorfeld dem knappen Zeitregime und inhaltlichen Präferenzen zugerechnet. Doch dann um 15.30 Uhr ging Stadtdekan Johannes zu Eltz ans Mikrofon und erstattete Bericht, einen Bericht, den kaum einer der Gäste so erwartet hätte: Er stellte einen Frankfurter Vorschlag für eine Segensfeier vor, die in der katholischen Kirche von vielen Seiten zwar langersehnt, aber auch ebenso heftig umstritten ist.
Nach diesem Papier gäbe es die Chance, wiederverheiratete Geschiedene oder gleichgeschlechtliche Paare, die von einer katholischen Eheschließung ausgeschlossen sind, zu segnen und damit „sittlich Gutes: Treue, Fürsorge, Verantwortung, Verpflichtung“, das es in diesen Partnerschaften gebe, auch gutzuheißen und zu segnen. Eine Verwechslung mit dem Ehesakrament sei ausgeschlossen, wenn, wie der Stadtdekan ausführte, eine Reihe von Bedingungen erfüllt sei: etwa eine im Standesamt vollzogene staatliche Eheschließung, wie sie mittlerweile auch schwulen und lesbischen Paaren von Gesetzes wegen gestattet ist, eine liturgische Feier, die anders als beim katholischen Ehesakrament auf Segnung und Tausch der Ringe oder das gegenseitig gesprochene Eheversprechen verzichte. Vielmehr könne „in Respekt vor einer verbindlichen Partnerschaft“, so Stadtdekan zu Eltz, in der Segensfeier um Gottes Segen gebeten werden „für eine gelingende Zukunft von etwas, das es bereits gibt“. Damit werde ein urmenschliches Bedürfnis nach „Heil, Schutz, Glück und Erfüllung seines Lebens“ mit der Bitte um Gottes Segen verknüpft.
Reformen auf Gemeindeebene
Das ist in der katholischen Kirche, die das Ehesakrament nur Mann und Frau spendet und ihre Ehe als nach kirchlichem Recht unauflöslich betrachtet, nichts weniger als revolutionär. Auch wenn es zunächst nur ein Vorschlag ist, der weiter beraten werden muss. Und es ist eines der augenfälligsten Ergebnisse des Frankfurter Stadtkirchenforums. Die Teilnehmer dankten es mit lang anhaltendem Applaus. Vor genau zwei Jahren hatten sich mehr als 200 Gläubige daran gemacht, Reformen, die in der katholischen Kirche vor Ort möglich sind, auszuloten. Da ging es um Kirche und Geld, also Transparenz bei den Finanzen, um Qualitätssicherung durch Feedback, Rückmeldung zum Beispiel zu Predigten, Gottesdienstformen oder dem Service im Pfarrbüro, um neue spirituelle Formen in Gottesdiensten oder um den schwierigen Begriff der Subsidiarität, der verlangt, dass all das, was vor Ort beschlossen werden kann, auch dort verhandelt werden soll, in Eigenverantwortung und ohne hierarchischen Überbau. Und da ging es um die Kirche für alle, die für mehr Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sorgen sollte bei denen, die in der Kirche oft am Rande stehen, Frauen, wiederverheiratete Geschiedene, Homosexuelle.
Zwei Jahre war in den Frankfurter Pfarreien um diese Themen gerungen und gestritten worden. In vielen Veranstaltungen, Debatten und Pilotprojekten ging es um die Abschaffung von Mess-Stipendien, die Offenlegung von Gemeindehaushalten oder Regeln für Mitarbeitergespräche. Das alles sollte beim Stadtkirchenforum II aufgegriffen werden. Bilanz ziehen, schauen, was sich seither entwickelt hat, woran weiter gearbeitet werden muss, was aus offenen Fragen geworden ist und welche Themen auf der Agenda bleiben sollen, so war der Plan.
Bibliolog und tänzerische Resonanzen
Und das gelang: In einem kurzweiligen Streifzug durch die wichtigsten Themen unter dem Motto „Selbst erleben und ausprobieren statt nur drüber reden“ konnten erneut 170 Teilnehmer eine Expedition in unbekanntes Gelände unternehmen, spielerisch herausfinden, wie schwierig es ist, immer in Bewegung zu sein und Veränderung als Motor zu begreifen, eine Kurzanleitung zum Verstehen eines Haushaltsetats wahrnehmen, oder selbst den Abschlussgottesdienst mit ungewöhnlichen Elementen planen, die sie aus dem gewohnten Sonntagsgottesdienst nicht kennen. Dazu wurde das Evangelium vom Sonntag in Form eines Bibliologs mit Leben gefüllt und erhielt so ungeahnte Dimensionen des eigenen Miterlebens, lieferte die Tänzerin Katharina Wiedenhofer Resonanzen genannte künstlerische Spiegelungen des Erlebten, gaben sich die Teilnehmer in kleinen Gruppen ein Feedback darauf, wie sie die anderen erlebten und was das in ihnen auslöste.
Dabei wurden die Ergebnisse des Reformprozesses auf der Ebene der Stadtkirche stets in Bezug gesetzt zum übergeordneten Prozess der Kirchenentwicklung, den das Bistum Limburg im Sommer 2016 ebenfalls initiiert hatte. Mit für die katholische Kirche - zur Zeit zumindest - utopischen Forderungen etwa nach der Priesterweihe für Frauen oder der Aufhebung des Zölibats wollte man sich nicht aufhalten, sondern lieber schauen, was vor Ort an Reformschritten möglich ist, rückgebunden an die nächst höhere Ebene. So wie Stadtdekan zu Eltz schon vor zwei Jahren betonte, dass es beim Thema Segensfeiern keinen Alleingang geben könne. Dass er jetzt seinen Vorschlag unterbreitet hat, lässt denn auch hoffen, dass es in der Stadtkirche Frankfurt, wie zu Eltz formulierte, zu „verantworteten Segensfeiern kommen wird“. (dw)