Geschichten, die noch weitergehen
Für die eine ist es ein Löffel – der Löffel, der nach der Zerstörung ihres Hauses unbeschadet übrig blieb. Für die andere ein Fotoapparat, mit dem sie die Gräuel des Krieges dokumentierte. Für wieder eine andere Frau steht ein Geldbeutel symbolisch für das, was sie in den Jahren des Bosnien-Krieges erlebte – „denn seitdem weiß ich, wie wichtig es ist, eigenes Geld zu haben!“ Es sind drei Schicksale, drei persönliche Geschichten von vielen, die noch bis Donnerstag, 7. September, in der Frauenfriedenskirche in Bockenheim zu sehen sind.
Die Ausstellung, die von Pax Christi Aachen und dem Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD ) nach Deutschland geholt wurde, trägt den Titel "Frauen geben Frieden ein Gesicht" und zeigt die Biografien von Friedensaktivistinnen aus Bosnien sowie eine Einführung in Hintergründe und Verlauf des Bosnien-Krieges (1992–1995). Konzipiert wurde die Ausstellung 2018 vom gleichnamigen bosnischen Friedensbündnis „Mir sa zenskim licem“ mit dem forumZFD in Sarajevo und mit der fachlichen Unterstützung des Historischen Museums von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo.
Genau am richtigen Ort
Die Frauenfriedenskirche ist ein besonderer Ort fürs Zeigen der großen Frauenportraits und der damit verbundenen Geschichten, immerhin wurde sie zwischen 1927 und 1929 als Mahnmal von Katholikinnen für die Gefallenen des Weltkrieges errichtet. Das Leid des Krieges ist auch heute, fast 100 Jahre nach dem Bau der eindrucksvollen Kirche, aktuell – noch immer, immer wieder. „Natürlich denkt man automatisch an die Ukraine und die heute betroffenen Menschen, die Frauen“, sagt die Frankfurterin Hedwig Oser, Mitglied von Pax Christi Rhein-Main, die am Montagnachmittag Interessierte durch die Ausstellung führt. „Und natürlich ist der Angriffskrieg gegen die Ukraine auch der Grund dafür, warum die Geschichten gerade jetzt relevant sind.“
Aktion "Wanderfriedenskerze"
Die Ausstellung ist Teil der Aktion "Wanderfriedenskerze", bei der neun Wanderfriedenskerzen zwischen dem 1. September (Beginn des Zweiten Weltkrieges und Anti-Kriegstag) bis zum Buß- und Bettag durch Gemeinden in Hessen und Rheinland-Pfalz wandern. Kunstvoll gestaltet nehmen sie jedes Jahr neu ein aktuelles Friedensthema in den Blick. Sie werden in Friedensgottesdiensten entzündet, sind Gesprächsanlass für Gemeindeveranstaltungen und bringen Menschen unterschiedlichster Konfessionen in Kontakt und gemeinsames Beten für den Frieden. Ihre Reise führt sie durch etwa 70 bis 80 Gemeinden, Schulen und christliche Einrichtungen in der Rhein-Main-Region. In diesem Jahr steht die Aktion unter dem Motto "Frauen brauchen Frieden – Frieden braucht Frauen". Auf www.wanderfriedenskerze.de gelangt man zum Buchungssystem der kunstvoll gestalteten Kerzen, die für Gottesdienste und Veranstaltungen ausgeliehen werden können.
Die Ausstellung trägt den Untertitel: „über Frieden und Versöhnung in Bosnien und Herzegowina“. Die Frauen, die in dieser Ausstellung zu Wort kommen, wollen an die Grausamkeiten erinnern, die sie während des Krieges von 1992 bis 1995 erleben mussten. Doch da enden ihre Geschichten nicht! Gerlinde Geißler, ebenfalls Mitglied bei Pax Christi, sagt: „Im Grunde geht es darum, wie Frauen mit Traumata umgegangen sind und darin Kraft gefunden haben.“ Besonders beeindruckend sind für Gerlinde Geißler die Geschichten von Frauen, die im Krieg vergewaltigt, gefoltert, gefangen gehalten wurden – und sich den Tätern später vor Gericht entgegenstellten, damit diese verurteilt werden konnten. Aber auch andere wie die Lehrerin, die sich weigerte, bosnische und kroatische Kinder – wie es vorgeschrieben war – getrennt zu unterrichten, nötigen Respekt ab.
Frauen leiden im Krieg besonders
„Die Geschichten dieser Frauen rufen in Erinnerung: Frauen leiden besonders im Krieg – nur weil sie Frauen sind“, heißt es im Flyer zur Ausstellung, der nach der Eröffnung am Sonntagvormittag schnell vergriffen war. Sich nicht ausgeliefert fühlen durch das Erlebte, sondern darüber sprechen, sich organisieren und engagieren, Frauengruppen gründen und anderen Mut machen – jede der vorgestellten Frauen hat eine eigene Variante gefunden, wieder Herrin über ihr Schicksal zu werden. „Diese Geschichten sind noch nicht beendet“, daran erinnert Hedwig Oser. Genauso wie die der ukrainischen Frauen, die in Deutschland und überall, wo sie Zuflucht gefunden haben, schon jetzt daran arbeiten, den Frieden vorzubereiten.
Die Ausstellung "Frauen geben Frieden ein Gesicht" ist noch bis Donnerstag, 7. September, tagsüber in der Frauenfriedenskirche, Zeppelinallee 101, Bockenheim zu sehen. Der Eintritt ist frei, bitte den Seiteneingang durch den Kreuzgang benutzen. Weitere Infos gibt es im Flyer unten.