"Farbigkeit und Einheit sind keine Gegensätze"
Am Wochenende vom 8. und 9. September zeigt Frankfurt sich erneut von seiner wunderbar vielfältigen Seite: Zum zehnten Mal feiern Katholikinnen und Katholiken aus muttersprachlichen Gemeinden und Pfarreien das Fest Mariä Geburt mit Gottesdienst und Prozession. Im Interview erklärt Heribert Schmitt, Referent für Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache im Bistum Limburg, die tiefe Verehrung der Muttergottes.
Herr Schmitt, das Fest Mariä Geburt wird in diesem Jahr zum zehnten Mal in seiner jetzigen Form gefeiert, also mit internationalem Gottesdienst und anschließender Marienprozession durch Bockenheim. Gab es für Sie Highlights in den zehn Jahren? Wenn ja, welche sind das?
Ein Highlight gab es ausgerechnet in der Corona-Pandemie, in der Zeit, in der wir aus Verantwortung füreinander Abstand voneinander halten mussten. Wie das an vielen Orten üblich war, hatten wir für den Mariengottesdienst ein Live-Streaming eingerichtet, damit die Gemeindemitglieder, die keinen Platz in der Kirche fanden, zu Hause vor den Bildschirmen dabei sein konnten. Dadurch ergab sich zusätzlich die Möglichkeit für die Verwandten und Freunde der Gläubigen in den verschiedenen Herkunftsländern, mit dem entsprechenden Link, den Gottesdienst mitzufeiern. Sehr beeindruckend waren auch die als Videoclips eingespielten Fürbitten, die von Menschen aus Brasilien sowie aus den Limburger Partnerbistümer Kumbo (Kamerun), Košice (Slowakei) und Sarajevo (Bosnien-Herzegowina) vorgetragen wurden. In gewisser Weise haben die Pandemie-bedingten Einschränkungen den Kreis der Beteiligten also sogar erweitert. Da wurde deutlich, dass die Glaubensgemeinschaft den Kirchenraum weit überschreitet und Menschen auch über große Distanzen und Ländergrenzten hinweg miteinander verbindet.
Was bedeutet diese gelebte und zelebrierte Internationalität fürs Bistum und was für Frankfurt? Wahrscheinlich steht sie repräsentativ für die Diversität der Katholikinnen und Katholiken.
Internationalität und kulturelle Diversität wachsen im Bistum Limburg und werden immer mehr wahrgenommen. Mindestens jede vierte Katholikin, jeder vierte Katholik im Bistum hat eine Migrationsgeschichte, in Frankfurt ist es bereits jede:r dritte. Die Gegenwart der Gläubigen unterschiedlicher Herkunft in unserem Bistum erinnert daran, dass Gott aus vielen Nationen und Kulturen sein Volk zusammenruft- Weltkirche! Die Pfingstlesung in der Apostelgeschichte, von der Geburtsstunde der Kirche, bringt das zum Ausdruck. Von Anfang an spricht die Kirche in allen Sprachen und ist doch verbunden im selben Geist. Dieser eröffnet einen neuen Horizont, der Grenzen überwindet, aber nicht zur Einheitskultur, Gleichmacherei, Uniformität führt. Farbigkeit und Einheit sind keine Gegensätze, sie gehören zusammen. Und im Blick auf die Maria: Es ist unübersehbar, wie unsere muttersprachlichen Gemeinden - so unterschiedlich sie sein mögen - eine tiefe Verehrung der Gottesmutter teilen. Die Menschen spüren, dass Maria ihnen mütterlich zugewandt ist. Gerade für die Migrantinnen und Migranten wird sie als Begleiterin auf ihren Wegen erfahren und als Fürsprecherin vor Gottes Thron. Das gibt Halt und Hoffnung auch in schwierigen Zeiten.
Dreimal hat das Fest in der Niederäder Kirche „Mutter vom Guten Rat“ stattgefunden, nun zum siebten Mal in Frauenfrieden. Wechselt der Ort bewusst oder gab es dafür Gründe?
Die Katholikinnen und Katholiken, die das Fest Mariä Geburt feiern, kommen aus dem ganzen Bistum. In der Vorbereitung und bei der Durchführung beteiligen sich Gläubige aus allen Regionen. Von Anfang an gab es den Wunsch, dass das Fest in einer Marienkirche gefeiert wird, die genügend Platz für die große Gottesdienstgemeinde bietet sowie eine Prozession und anschließende Begegnung ermöglicht. Dafür ist die Frauenfriedenskirche sehr gut geeignet. Während der Renovierungsphase des Gotteshauses haben wir ebenfalls einen sehr passenden Ort in der Kirche Mutter vom Guten Rat gefunden. So gibt es mehrere gute Optionen für den Ort der Feier. Die Verantwortlichen beider Pfarreien, Pfarrer, Pastoralteam, Sekretärinnen und Küster sowie die Pfarrgemeinde- und Verwaltungsräte haben uns buchstäblich die Türen geöffnet und haben uns durch ihr unkompliziertes Entgegenkommen bei der Planung und Durchführung des Festes großartig unterstützt. Das ist ein schönes Beispiel, wie muttersprachliche Gemeinden und die Pfarrei zusammenwirken und gemeinsam Kirche sind.
Welche Bedeutung hat der stark symbolisch aufgeladene Ort Frauenfrieden für das besondere Fest Mariä Geburt?
Wenn man die Frauenfriedenskirche betritt, fällt zuerst die herausragende Architektur auf, die durch die jüngste Renovierung noch einmal unterstrichen wurde. Der Kirchenraum lädt ein, spricht an, hat eine Botschaft. Weihbischof Thomas Löhr ist in seinen Predigten mehrmals auf die einzigartige Geschichte der Kirche eingegangen, die eng mit der einzigartigen Initiative der Frauen verbunden ist, die unter dem Eindruck des furchtbaren Ersten Weltkrieges diese Kirche als Zeichen für den Frieden erbaut haben. Wie die Frauen damals können wir uns heute in unserer friedlosen Welt der Fürsprache Mariens, der Königin des Friedens, anvertrauen.
Wie koordinieren Sie die zahlreichen Akteur:innen? Das ist sicher viel Arbeit.
Die Initiative, einen gemeinsamen Mariengottesdienst zu feiern, entstand im Rat der Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache. Dieser Rat ist das Gremium, in dem die verschiedenen muttersprachlichen Gemeinden auf Diözesanebene vertreten sind. Es gibt seit zehn Jahren eine Arbeitsgruppe, die sich um die Vorbereitung und Gestaltung kümmert. In diesem Jubiläumsjahr wirken in dieser AG 17 Mitglieder kontinuierlich mit, bringen unterschiedliche Perspektiven ein, kümmern sich um die einzelnen Bereiche der Vorbereitung und sorgen dafür, dass bei der Feier noch viele weitere Personen aktiv einbezogen werden (im vergangen Jahr waren es über 80). Als Geschäftsführer des Rates begleite ich das Anliegen seit 2013, also von Anfang an.
Gibt es vergleichbare große internationale „Events“ im Bistum?
Ja, wir haben den von meiner Frankfurter Kollegin Dr. Brigitta Sassin koordinierten Gottesdienst der Sprachen und Nationen am Pfingstsamstag im Frankfurter Dom, der die kulturelle und spirituelle Vielfalt anschaulich zum Ausdruck bringt. Beim Limburger Kreuzfest wächst die Beteiligung in Form eines von den muttersprachlichen Gemeinden selbst gestalten Weggottesdienstes am Sonntag, 17. September, der in eine gemeinsame Feier im Limburger Dom mündet und mit einer Agape im Bischofsgarten abgeschlossen wird. Diese Initiative begleitet meine Kollegin Alexandra Schumann federführend. Alle Feiern unterstreichen den vielfältigen Reichtum und die Verbundenheit in der Kirche und tragen zur Integration in das Bistum bei.
Das Festprogramm
Zum zehnten Mal feiern Katholikinnen und Katholiken aus muttersprachlichen Gemeinden und Pfarreien das Fest Mariä Geburt. Zum Jubiläum gibt es diesmal besondere Angebote, die von Rat der Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprachen gemeinsam mit dem Referat Gemeinden von Katholiken anderer Muttersprache im Bistum vorbereitet werden.
Das Fest beginnt bereits am Freitagabend, 8. September 2023, 19 Uhr, mit einer feierlichen internationalen Vesper mit Bischof Dr. Georg Bätzing in der Frauenfriedenskirche. Daran schließen sich die einzelnen Gebetsstunden vor dem Allerheiligsten an, die die Gemeinden gemäß ihrer Tradition gestalten (Muttersprache, eigene Gesänge, Texte).
Der Samstag, 9. September, startet vormittags (9.30 Uhr) mit einem spirituellen Event für Jugendliche (ab 14. Jahren). Junge Menschen aus verschiedenen muttersprachlichen Gemeinden erleben, wie international die katholische Kirche ist. Weihbischof Dr. Thomas Löhr feiert um 15.30 Uhr den festlichen Mariengottesdienst mit allen Gläubigen, die Jugendlichen sind in besondere Weise beteiligt. Die Fürbitten werden von Menschen aller Generationen vorgetragen. Es folgt die traditionelle Prozession durch den Stadtteil mit der von der portugiesischsprachigen Katholischen Gemeinde Wiesbaden geschmückten Marienstatue. Zur Begegnung mit internationalen Speisen, die die Gemeinden mitbringen und miteinander teilen, sind alle eingeladen. An beiden Tagen werden Marienbildern aus aller Welt ausgestellt und die schönsten Bilder eines Malwettbewerb für Kinder, der schon im Vorfeld startete, prämiert.