Ein Tag fürs geweihte Leben
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Bildergalerie 1/5
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Zum "Tag des geweihten Lebens" sind Anfang Februar neben den Gläubigen der Domgemeinde rund 130 Ordensleute aus über 40 verschiedenen Gemeinschaften und mehr als 18 Nationen sowie Mitglieder Geistlicher Gemeinschaften und Frauen des Ordo Virginum im Frankfurter Dom und im Haus am Dom zu Gebet, Austausch und Reflexion zusammengekommen.
Am Anfang stand die Eucharistiefeier mit dem Bischofsvikar für die Orden, Weihbischof Dr. Thomas Löhr. Zusammen mit dem Ordensrat und der Bistumsbeauftragten für die Orden Sr. Laura Knäbel MMS hatte er zu diesem Tag eingeladen. Zu Beginn begrüßte der Dompfarrer Johannes zu Eltz die Ordensleute zum gemeinsamen Gottesdienst mit der Gemeinde und hieß alle willkommen.
In seiner Predigt sprach der Weihbischof über die Bedeutung des geweihten Lebens in der heutigen Zeit und die Verantwortung, die mit dieser besonderen Berufung einhergeht. Dies deutete er auf dem Hintergrund des Evangeliums und sprach von Simeon als Pilger der Sehnsucht und von Hanna als Prophetin der Hoffnung (Predigt siehe unten). "Die Messe war ein starkes Zeichen der Verbundenheit und des gemeinsamen Glaubens", berichteten Teilnehmende anschließend.
Zum Abschluss der Eucharistiefeier sprach Christiane Moser-Eggs, Regionalleitung der katholischen Stadtkirche Frankfurt, ein Grußwort. Sie erinnerte daran, dass geweihtes Leben früher wie heute eine prägende Rolle in Frankfurt spielt – ob sichtbar in Klöstern oder in neuen Formen der Seelsorge und Nächstenliebe. Sie würdigte die Vielfalt und Internationalität der anwesenden Ordensgemeinschaften und betonte ihre Bedeutung als Brückenbauer zwischen den Kulturen und Generationen.
Anschließend hielt Politikwissenschaftler Prof. Cesare Zucconi im Haus am Dom einen Vortrag unter dem Titel „… denn meine Augen haben das Heil gesehen. (Lk 2,30) – Augenblicke eines Bekenntnisses!" Inspiriert durch die Worte des biblischen Simeon beleuchtete Prof. Zucconi, wie sich der Glaube in der heutigen Welt bekennen lässt. Er stellte Bezüge zu sozialen Herausforderungen her und betonte die Verantwortung der Ordensgemeinschaften im Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und interreligiösen Dialog. Ebenso hob er hervor, wie sehr die Ordensgemeinschaften bei der Entstehung der Gemeinschaft Sant’Egidio unterstützt haben.
Prof. Zucconi ist Professor für Geschichte der Internationalen Beziehungen an der römischen Universität Sapienza, sowie Professor für Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.
Die anschließende Diskussion bot Raum für persönliche Reflexionen und Fragen. Besonders beeindruckend waren die Beiträge aus verschiedenen Gemeinschaften, wie zum Beispiel: Was bedeutet es, heute Propheten der Hoffnung zu sein? Weitere Themen waren das Ordensleben als Weg, in Frieden mit sich selbst und mit anderen zu leben, Kriege und Konflikte im eigenen Umfeld und Zeit fürs Zuhören und Verstehen. Weitere Gedanken betonten die Notwendigkeit, den Frieden zuerst in den Familien zu fördern, Werte an die junge Generation weiterzugeben und Räume der Versöhnung und des Miteinanders zu schaffen. Der Ruf nach aktiver Präsenz in der Gesellschaft, dem bewussten Leben von Vergebung und einem tiefen Engagement für den Frieden zog sich durch viele der Beiträge.
Den Abschluss des Tages bildete die gemeinsame Vesper im Saal, die von Weihbischof Löhr geleitet wurde. Ein besonderer Moment war die musikalische Begleitung durch Sr. Lydia Stritzl OSB, die mit ihrer Querflöte eine meditative und besinnliche Atmosphäre schuf.
Text: Pater Roger Abdel Massih CML, Kooperator der Kath. Kirche Sankt Hildegard – Frankfurt
DARSTELLUNG DES HERRN – TAG DES GEWEIHTEN LEBENS / HEILIGES JAHR „PILGER DER HOFFNUNG“
SANKT BARTHOLOMÄUS DOM ZU FRANKFURT AM MAIN – 2.2.2025
Predigt: Weihbischof Dr. Thomas Löhr
Liebe Geschwister im Glauben!
1
Für Simeon ändert sich alles! – An diesem Tag, an dem Josef und Maria das Kind Jesus in den Tempel bringen, um es dem Herrn darzustellen, wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: ändert sich alles.
Denn nachdem dreimal das Gesetz Erwähnung findet, das Gott dem Mose am Sinai gegeben hat, wird dreimal vom Geist gesprochen, der auf Simeon ruht und ihn in den Tempel geführt hat. Das Gesetz – der Geist Gottes.
Aber halten wir zunächst inne beim Tempel und dem Gesetz. Jesus wird das Gesetz überbieten – denken wir an die „größere Gerechtigkeit“ in der Bergpredigt – und wird an die Stelle des Tempels die Gegenwart Gottes in seiner Person setzen. Aber er wird weder Gesetz noch Tempel in den Abfalleimer der Geschichte werfen.
Gerade heute, in einer Zeit des wachsenden Antisemitismus, sage ich unmissverständlich: Wir ruhen auf dem Fundament der religiösen Erfahrung des Volkes Israel, das Gott sich als erstes erwählt hat. Niemals kann sich Antisemitismus legitimerweise auf das Christentum berufen. Und nicht auf Jesus Christus und sein Evangelium.
2
Für Simeon ändert sich alles, als er spürt: hier trifft er nicht nur Maria und Josef und das Kind und Hanna. Es ist das Geheimnis einer viel tieferen Begegnung. Er sieht das Heil für alle Völker, Herrlichkeit für das Volk Israel und Licht für die Heiden.
In diesem Geheimnis findet Simeon zu sich selbst und zu einem nie gekannten, aber doch immer schon ersehnten Frieden. „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden“. Das ist der ersehnte Frieden.
Ich möchte sagen: der Geist führte Simeon in den Tempel, aber auch seine Sehnsucht nach dem Heil führte ihn und seine Hoffnung auf den versprochenen Messias. Der Geist, so bin ich überzeugt, hat die Sehnsucht und die Hoffnung in ihm geweckt. – Wo mag Simeon gewohnt haben, einige Häuser oder Straßen vom Tempel entfernt? Ein Spaziergang, kein Pilgerweg. Und doch ist er für mich ein Pilger der Sehnsucht und ein Pilger der Hoffnung, weil diese Hoffnung offenbar seinen ganzen langen Lebensweg antrieb.
Wir erkennen das an Hanna. Die keine literarische Dublette zu Simeon ist! Nach den kurzen sieben Jahren ihrer Ehe hält sich die Vierundachtzigjährige ständig im Tempel auf und dient Gott Tag und Nacht. Nicht aus Langeweile, sondern aus Sehnsucht. Sie ist Pilgerin der Sehnsucht, die zur Prophetin der Hoffnung wird, als sie mit Simeon dem von Gott gesandten Heiland begegnet und nun zu allen spricht, die auf die Erlösung Israels warten.
3
Wir stehen hier vor dem Mysterium der Begegnung, das alle Evangelien von Anfang bis Schluss immer neu durchzieht. Begegnung meint kein banales Treffen, nicht ein beliebiges Date oder Rendezvous. Simeon offenbart Maria das Schrecken Erregende, das auf das Kind zukommt. Welche Mutter möchte schon gern so etwas über ihr Kind, dem all ihre Liebe gilt, hören. Viele, so Simeon, werden durch ihn zu Fall kommen und aufgerichtet werden, er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Alles gipfelt in der Prophezeiung: deine Seele wird ein Schwert durchdringen. Zum angekündigten Leiden Jesu gehört das Mitleiden der Mutter.
4
Nicht nur für Simeon ändert sich alles. Durch Jesus wird die Geschichte der gesamten Welt zur Heilsgeschichte. Wie es Gott verheißen hat. Bei Amos hörten wir: „Denn plötzlich kommt zu seinem Tempel der Herr…“.
Gott kommt in die Welt. Jesus kommt in unser Leben. Unsere Erfahrung scheint das zu widerlegen. Sagen uns nicht viele Untersuchungen und Statistiken, dass wir in einer Welt leben, die froh ist, dass sie Gott endlich los ist? Die sich von Gott nichts sagen lassen will? Und von den Kirchen schon gar nicht? Die solche Gott-losigkeit als Befreiung empfindet? Und nicht wahrhaben will, welche Hoffnungslosigkeit damit einhergeht.
Wie hoffnungslos und verzweifelt sind Kinder, Frauen und Männer, die in Krieg und Terror unter Krankheiten und Hunger leiden. Denen ihre Würde und ihre körperliche Unversehrtheit und ihre Seele geraubt werden durch Vergewaltigung und Folter. Die ihre Zukunft verlieren, weil die Folgen der Klimaveränderungen zur Klimakatastrophe werden. Weil Kindersoldaten nie gelebt haben. Gibt es Leben ohne Hoffnung?
Wir hingegen meinen, alles richtig zu machen. Allerdings eben hoffnungslos richtig. Unsere Gesellschaft scheint orientierungslos. Als Kirchen haben wir uns aus Gründen, die auf der Hand liegen, weithin abgemeldet. Geht also alles zugrunde?
„Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen“, ermutigt der Apostel Paulus die Gemeinde in Rom, „denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,5) Diesen Satz: „Spes non confundit“, hat Papst Franziskus zum Leitwort des Heiligen Jahres gemacht, das wir feiern.
Simeon wird zur Leitfigur der Hoffnung, weil er die Erfahrung macht: der treue Gott erfüllt unsere Sehnsucht. Unsere Sehnsucht wird zur Hoffnung. Diese Hoffnung hat einen Namen. Und der Name ist: Jesus Christus.
5
Unverzichtbar bleibt für uns, dass wir mit dieser Hoffnung, die Jesus Christus heißt, in Berührung kommen und wie Simeon Jesus in unsere Arme nehmen. Auf die Berührung kommt es an. Sie selbst haben es erfahren.
Dort, wo Sie den Hungrigen und Durstigen zu essen und zu trinken geben, die Fremden und Obdachlosen aufnehmen, die Nackten bekleiden, die Kranken pflegen und die Gefangenen besuchen, berühren Sie Jesus. So in Ihren Gemeinschaften, im Charisma der Gründerinnen und Gründer, in Ihrem Alltag, durch die Menschen, mit denen Sie zusammen arbeiten, zusammen lachen und zusammen weinen. Mit denen Sie sprechen und mit denen Sie die Sprachlosigkeit aushalten. Und durch die, denen Sie Ihre Stimme geben, wenn der Schrei der Erde, der der Schrei der Armen ist, verstummt oder ungehört verhallt. In der weiten Welt und vor unserer Haustür. Wenn wir uns nicht abfinden mit Kriegen und Vertreibung, sondern Frieden zum Herzensanliegen machen.
Wir berühren Jesus mit unseren Lippen, wenn wir sein Wort vortragen, mit dem Herzen, wenn wir es täglich lesen und betrachten. So wie jetzt in diesem Gottesdienst. In seinen Sakramenten, wenn uns das Wort der Vergebung berührt: Ich spreche dich los von deinen Sünden. In der Eucharistie, wenn wir ihn mit unseren Händen und unserer Zunge berühren, weil er sich selbst uns zur Speise gibt. Wenn wir niederknien und im Sakrament den anbeten, der unsere ganze Hoffnung ist.
Kniend: So wie die Ärztin und die Sanitäter beim Unfall am Straßenrand knien oder am Abend unter der dunklen Brücke einer hell strahlenden Stadt. Wie die am Bett ihres Kindes kniende Mutter, die ihm so am nächsten ist. Mir ist diese Einsicht ganz wichtig: Wer kniet, kann nicht andere mit Füßen treten!
6
Alles Gesagte gilt an diesem Tag der Darstellung des Herrn für uns alle. Die erste Einheitsübersetzung formulierte: das Kind dem Herrn zu weihen. Kommt Ihnen da auch die Assoziation zum „Tag des geweihten Lebens“, der heute Ordensfrauen und Ordensmänner und alle, die nach Gelübden und Versprechen leben, hier im Dom zusammenführt? Geweihtes Leben. Meint dieses Wort nicht alle, auch Sie und mich, die wir keine Ordensleute sind? Ist nicht unser aller Leben geweiht seit der Taufe, in den Sakramenten der Firmung und der Eucharistie? In einer Ehe und einer Familie, wo es sich hingibt, etwa den Kindern? Und so vielen alltäglichen Zusammenhängen unseres Lebens?
Danke heute an dieser Stelle Ihnen, den Ordenschristen und Ordenschristinnen, die Sie das durch Ihre Gelübde zeichenhaft (II. Vaticanum) und verbindlich leben. Nicht zuletzt die Älteren, die sich oft zu Unrecht nutzlos fühlen. Miteinander sind wir alle Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung und werden füreinander – und für viele, ja die ganze Gesellschaft – Prophetinnen und Propheten der Hoffnung. Amen.