Die Vielfalt interessant und den eigenen Platz darin schön finden
Kraftvolle Musik, Bibeln aus vielen verschiedenen Ländern, Gott nah sein in bunter Gemeinschaft – wie vielfältig das katholische Frankfurt ist, wird beim Pfingstgottesdienst der Sprachen und Nationen sichtbar, hörbar, schmeckbar und erlebbar. Am Samstag, 18. Mai, 18 Uhr, feiern die Gemeinden anderer Muttersprache im Bartholomäusdom den beliebten internationalen Gottesdienst mit Domkapitular Georg Franz und laden alle dazu ein. Im Interview erklärt Brigitta Sassin, Referentin für die muttersprachlichen Gemeinden, welche wichtige Rolle die internationale Community in Frankfurt spielt.
Frau Sassin, in Zeiten oft leerer Kirchen ist der Pfingstgottesdienst der Sprachen und Nationen fast so etwas wie eine Gegenbewegung – mehr als 200 Menschen übernehmen eine Aufgabe im Gottesdienst, über 700 Besucher:innen werden am Samstag, 18. Mai, im Dom erwartet. Wie erklären Sie sich, dass der Pfingstgottesdienst so viele Menschen begeistert?
Brigitta Sassin: Der Pfingstgottesdienst der Sprachen und Nationen ist ein katholischer Gottesdienst, der alle Chancen für eine Beteiligung der Gläubigen nutzt. Das ist in vielen Jahren gewachsen. Zuerst haben wir damit angefangen, verschiedene Chöre einzuladen, in ihrer Herkunftssprache zu singen und so den Gottesdienst zu verschönern. Die Leute freuen sich daran und sind stolz, dass sie gehört werden, dass ihre Weise, Gott zu loben, anderen gefällt.
Wie viele Gruppen beteiligen sich denn in diesem Jahr?
Diesmal sind es neun Musikgruppen und 22 Gemeinden. Zum ersten Mal ist die koreanische katholische Gemeinde mit einem kleinen Chor dabei, auch der indonesische Studentenchor ist erstmals zu hören. Beteiligung geht über Wort und Musik, aber auch durch Bewegung. In der katholischen Kirche kennen wir Prozessionen. So haben wir aus der normalen Weise, das Evangelienbuch vom Altar zum Sprechpult zu bringen, einen gemeinsamen Weg gemacht: das deutsche Evangelienbuch wird begleitet von Bibeln aus allen anwesenden Sprachen. Das ist eine Form der Wertschätzung für die Vielfalt der religiösen und sprachlichen Hintergründe.
Das Ganze ist – wie auch Pfingsten selbst – als grandioses Fest der Nationen konzipiert. Zu hören ist die Pfingstbotschaft auf vielen Sprachen, es gibt indonesische Bambusschüttelinstrumente, Musik aus fast allen Kontinenten, später nach dem Gottesdienst internationales Fingerfood. Welche Bedeutung haben die vielen muttersprachlichen Gemeinden für die katholische Kirche in Frankfurt?
Frankfurt ist eine Stadt mit Menschen aus 180 Nationen, in der die Einwanderung deutlich zu sehen ist. Das ist auch so für uns als Christen. Die katholische Kirche wird durch Einwanderung und Globalisierung verändert. Die muttersprachlichen Gemeinden übernehmen eine wichtige Aufgabe, die die Stadtteilgemeinden nicht so gut ausfüllen: Sie sind Ort der Ankunft für neu Ankommende wie zum Beispiel indische oder vietnamesische Krankenschwestern, indische IT-Spezialisten, Studenten, Flüchtlinge, aber auch für alle, die durch die EZB oder andere Banken hierher versetzt werden. Sie alle erfahren in ihren muttersprachlichen Gemeinden einen Ort der Heimat, eine Tankstelle, die sie für das Leben im neuen Deutschland stärkt, aber auch einen Ort, an dem sie ihren Glauben in vertrauter Weise leben können. Diejenigen, die länger hier sind, helfen denen, die neu ankommen.
Das heißt, es geht weit über das gemeinsame Glaubenserlebnis hinaus?
Der soziale Faktor ist natürlich groß, aber der kirchliche Faktor ist genauso wichtig. Wir sind gemeinsam katholisch, aber unsere Glaubensbiografien sind auch durch die Gesellschaft, in der wir groß geworden sind, geprägt. In Indien sind nur zwei Prozent der Menschen Christen, in manchen Ländern ist Glaubensverfolgung Alltag, Menschen leben dort ihren Glauben mit Angst vor Gefängnis – und hier in Deutschland haben wir 500 Jahre Reformation gefeiert, das Miteinander mit evangelischen Christen ist für die meisten von uns selbstverständlich geworden. Das kann Menschen anderer Kulturen so sehr befremden, es ist so ungewohnt wie für uns vielleicht Trommeln oder Arathi, ein indisches Lobgebet mit brennenden Öllichtern. An Pfingsten feiern wir das Kommen des Heiligen Geistes, der uns befähigt, uns in unserer Verschiedenheit zu verstehen und uns an der Vielfalt zu freuen.
Sie selbst richten das internationale Pfingstfest als Referentin für die muttersprachlichen Gemeinden seit 18 Jahren aus, die Tradition reicht noch weiter zurück. Kriege gab es immer, doch gerade in den vergangenen Jahren scheinen sie näher zu kommen. Was tut eine solche Veranstaltung fürs gegenseitige Verstehen und letztlich für den Frieden?
Eine schwierige Frage. Ich erinnere mich an die ersten Jahre, als wir diese Vielfalt in den Gottesdienst geholt haben. Da gab es auch wechselseitiges Erstaunen und Befremden. Als vietnamesische Mädchen in feinen kleinen Bewegungen getanzt haben, schauten die Eritreer mit großen Augen zu. Was sie wohl gedacht haben? Wir sind über die Jahre in unserer Toleranz gewachsen, wir haben uns besser kennengelernt und die Eigenheiten der verschiedenen Gruppen zu schätzen gelernt. Unsere Herzen sind weiter geworden. Das ist, denke ich, eine Weise der Friedensarbeit, denn wir lernen die Verschiedenheit zuzulassen. Wer miteinander in einer Prozession läuft, sich beim Sortieren der Mikrokabel hilft und nach dem Gottesdienst gemeinsam isst und trinkt, der wird auch in den Stadtteilen Frankfurts die Vielfalt interessant und den eigenen Platz darin schön finden.