11.11.2015
Deutsche Gänsekeulen eritreisch gewürzt
FRANKFURT.- 30 Gänsekeulen schmurgeln im Ofen, Feldsalat ist angerichtet, Reis, Kartoffeln und Rotkohl dampfen in den Schüsseln, dazu gibt es - ein bisschen fremd für deutsche Zungen ? Berbère, eine scharfe eritreische Würzmischung: Beim Martinsessen in der katholischen Gemeinde St. Ignatius geht es unkonventionell und doch traditionell zu an diesem Martinstag 2015. Mehrere Frauen aus der Gemeinde haben die Tische schön gedeckt, mit Blumen, Kerzen und hübschen Servietten, zum Nachtisch gibt es Rote Grütze mit Sahne und herrlich duftende Martinsgänse aus Hefeteig.
Pater Bernd Günther begrüßt die bunte Gästeschar und versucht, möglichst langsam und deutlich zu sprechen. Was Gänse sind, zeigt er anhand der lustigen Servietten, auf denen Gänse mit Kochmütze und Kochlöffel prangen. Die jungen Leute an den Tischen lachen ein bisschen unsicher: Sie kommen überwiegend aus Afghanistan und Eritrea, sind nach oft abenteuerlicher Flucht hier gelandet und erst wenige Wochen in Deutschland.
Die meisten sind zwischen 15 und 18 Jahre alt, so genannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, untergebracht in einem Hotel in Bahnhofsnähe. In den Gemeinderäumen der Jesuitenkirche St. Ignatius im Westend haben sie Deutschunterricht. Einmal wöchentlich laden seither Ehrenamtliche aus der Gemeinde die Gruppe zum Mittagessen ein und sorgen für ein bisschen Freizeitgestaltung an der Tischtennisplatte oder beim Fußball im Hof.
Große Solidarität in der Gemeinde
Gabriele Holland, die zwar in Maintal wohnt, sich aber „seit Ewigkeiten“ St. Ignatius verbunden weiß, ist damit eine ganz neue Erfahrung zugewachsen. Am heimischen Computer organisiert sie die Koch- und Freizeitaktivitäten, koordiniert die ehrenamtlichen Helferinnen und erstellt „Dienstpläne“. „Es ist unglaublich, wie viele Menschen sich seither melden, um hier mitzuhelfen“, erzählt sie. Allein 15 Köchinnen gehören zum festen Stamm. Auch die in Ignatius beheimatete philippinische Gemeinde will sich einklinken. Pater Günther berichtet von einer Adressliste mit mehr als 50 Leuten, die sich bereiterklärt haben, bei der Betreuung der Flüchtlinge in irgendeiner Form mitzuhelfen. „Wir haben so viel Spenden und Angebote zur Mithilfe bekommen,“ sagt er, „die Solidarität in der Gemeinde ist riesig.“ Auch die 30 Gänsekeulen für das Martinsessen hatte ein Gemeindemitglied spontan gespendet.
Ursula Straumann wohnt ganz in der Nähe und ist zum ersten Mal hier: „Ich bin Hobbyköchin und fand das eine tolle Idee, hier zu kochen“, berichtet sie und beäugt kritisch die Gänsekeulen: „Sind sie auch nicht zäh?“ Die ehemalige Professorin für Sozialpädagogik an der Fachhochschule Frankfurt hat sich schnell entschlossen mitzumachen, als sie von dem Projekt der Gemeinde hörte: „Wir müssen ja nur ein bisschen kochen und reden, aber für die Jugendlichen ist das so unendlich wichtig.“ Zusammen mit Rita Herzenstiel-Cézanne aus der Nachbargemeinde St. Antonius hat sie an diesem Tag das Regiment in der Küche. Die beiden haben sich auch extra das Rezept für die Berbère besorgt: „Es soll den jungen Leuten ja auch schmecken.“
Das tut es, viele gehen mit ihren Tellern zur Küche um sich noch einen Nachschlag zu holen, ehe es an die Tischtennisplatte geht. Und weil St. Martin ist an diesem Mittwoch, kommt sogar Stadtdekan Johannes zu Eltz vorbei. Er verteilt Kerzen an die Jugendlichen und die engagierten Helferinnen: „Ein kleines Dankeschön für die Hilfe, die Sie hier so großzügig und ohne viel Aufhebens leisten!“ (dw)