10.04.2014

Dem Tod so nah

Stadtteilhistoriker dokumentiert Leben der Becker-Zwillinge

FRANKFURT. ? Der Widerstand der Brüder Becker unter dem Nazi-Regime -  ein Thema, das den Stadtteilhistoriker Götz Wörner schon längere Zeit beschäftigt. Er sammelt Material zu Leben und Sterben der Zwillingsbrüder Bernhard und Ludwig Becker und begibt sich auf Spurensuche in deren Heimatstadt Frankfurt am Main. Jetzt dokumentiert er den Verlauf und Fortgang seiner Forschungsreise auf Facebook.

Schicksal von Bernhard Becker

Zunächst wurde Götz Wörner, Initiator des Kulturpasses für mittellose Frankfurter,  bei einer geschichtlichen Führung durch Frankfurt aufmerksam auf das Schicksal von Bernhard Becker. Dessen Werdegang habe ihn so sehr berührt, erzählt er, dass er sich daraufhin intensiver damit auseinander gesetzt  hat: „Ich habe bereits vorhandenes Material im Stadtarchiv gesammelt, lebende Zeitzeugen befragt und einen Vortrag in der Städel-Schule gehalten. Nach und nach haben sich die Lebensdaten Bernhard Beckers wie ein Mosaik zusammengesetzt“, bekräftigt Götz Wörner.

Die Becker-Brüder waren bei ihren Großeltern im Nordend aufgewachsen. Bernhard leitete in der katholischen Gemeinde St. Bernhard die katholische Jugendarbeit. Seine Gruppe geriet immer mehr in Widerstand zur um sich greifenden Nazi-Ideologie. Am 27. Dezember 1937 wurde Bernhard von der Gestapo verhaftet und ins Gerichtsgefängnis gebracht. Trotz eines Freispruches wurde er wieder eingesperrt, misshandelt und gedemütigt. In seiner Zelle nahm er sich im Dezember 1938 das Leben. Eine menschliche Tragödie, der Götz Wörner zur Zeit seine ganze Aufmerksamkeit widmet. „Am Gerichtsgefängnis in der Klappergass habe ich eine Erinnerungstodesanzeige angebracht, die inzwischen von Tausenden von Menschen gelesen wurde. Im Rahmen der Ausstellung des Deutschen Architektur Museums in diesem Gefängnis habe ich eine der Zellen in Erinnerung an Bernhard Becker gestaltet und eingerichtet“, erzählt Wörner nicht ohne Stolz.

Tod von Ludwig Becker

Das Schicksal des Zwillingsbruders Ludwig ist hingegen kaum dokumentiert. Nur so viel ist Wörner bekannt: Ludwig Becker arbeitete in schwieriger Zeit als freier Künstler, gestaltete Kirchenfenster in Frankfurt und Umgebung und schuf zahlreiche Graffiti an Kirchen und öffentlichen Gebäuden. Nach dem Ende des Nationalsozialismus erhielt er ein Lehramt an der Krefelder Fachschule für künstlerische Web- und Druckgestaltung, kehrte allerdings später nach Frankfurt zurück. Über den Tod seines Zwillingsbruders kam er nicht hinweg, verfiel mehr und mehr in Depression und nahm sich 1971 das Leben.  Den Lücken in beiden Lebensläufen will Götz Wörner Abhilfe schaffen. Er möchte das Thema besonders unter dem Gesichtspunkt der Schicksale beider Brüder Becker beleuchten. Dabei interessiert ihn auch die Rolle der Frankfurter Gestapo-Schergen Thorn, Müller, Baab und des Kriminalkommissars Reinke. Den zeitgeschichtlichen Zusammenhang will Wörner durch alle Arten von Dokumenten aus der Zeit herstellen. Unterstützt wird er dabei vom Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz, der betont, es sei im „ausdrücklichen Interesse der katholischen Kirche in Frankfurt“, mehr über das Schicksal der katholischen Becker-Zwillinge zu erfahren.

Ziel seiner Forschungsarbeit ist es zum einen, das gesammelte Material auf einem ausführlichen Internet-Portal, unter <link http: www.bernhard-und-ludwig-becker.de>www.bernhard-und-ludwig-becker.de ,  zusammenzuführen. Darüber hinaus wünscht sich Wörner am Ende eine offizielle Gedenkplakette an die beiden Brüder an einem geeigneten Ort in Frankfurt.

Wer Interesse am Fortgang und Verlauf seiner Arbeit hat, kann sich auf der Facebook-Seite unter <link http: www.facebook.com bernhardundludwigbecker>www.facebook.com/BernhardundLudwigBecker informieren. (SFi)

Das Projekt „StadtteilHistoriker“ leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung der Stadtgeschichte und zeugt von der Identifikation Frankfurter Bürger mit ihrem Wohnort. Während des anderthalbjährigen Programms erforschen bis zu 25 geschichtsinteressierte Frankfurter Bürger ehrenamtlich die Frankfurter Stadt- und Stadtteilgeschichte.

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