Citypastoral 2.0 - Punctum wird 30
Stefan Hoffmann lacht oft und gerne – auch beruflich. „Ich sehe es als unsere Aufgabe an, das freundliche Gesicht der Kirche zu zeigen“, sagt der Leiter der citypastoralen Einrichtung Punctum in der Liebfrauenstraße. Gemeinsam mit einer Gemeindereferentin und einem Gemeindereferenten sowie elf Ehrenamtlichen sorgt Hoffmann dafür, dass Menschen, die eine Frage haben, an fünf Tagen die Woche im Punctum für sich eine Antwort finden. Dabei geht es nicht darum, den Menschen etwas aufzuzwingen. „Die Leute, die zu uns kommen, setzen die Themen, mit denen wir uns beschäftigen.“
Der helle, freundliche Glasbau, der sich eng an die Liebfrauenstraße schmiegt, ist Anlaufstelle für viele Menschen mit ihren Anliegen. Sie sind auf der Suche nach einem seelsorgerischen Gespräch, trinken einen Kaffee an der Theke, wenden sich mit dem Gedanken eines Wiedereintritts in die Kirche ans Team oder wollen sich informieren über kirchliche Angebote und Veranstaltungen. Für Hoffmann, der das Punctum seit 2016 führt, und sein Team kein Problem, sie haben zu so gut wie jedem Themenbereich aktuelle Informationen vorrätig. Andere Menschen benötigen einen Pilgerausweis oder wollen den Kulturpass abholen, möchten Postkarten oder Kerzen kaufen. Das Punctum fungiert für viele Anliegen auch als „Trichter“: „Wir haben ein großes Netzwerk und können gezielt an Expertinnen und Experten vermitteln“, sagt der Leiter.
Stehenbleiben, innehalten, weitereilen
Für den Einsatz und die Begleitung des Ehrenamtsteams ist die pastorale Mitarbeiterin Gabriele E. Braun zuständig. Neben der Arbeit in Cafébereich können sich die Ehrenamtlichen auch mit ihren jeweiligen Kompetenzen in die kreative Arbeit von punctum einbringen. Dieser Bereich liegt in der Verantwortung von Jörg Harald Werron, dem Dritten im Team der Hauptamtlichen. Oft startet das Team Aktionen vor der Tür, gerne auch mit kirchlichen Kooperationspartnern wie der Pilgerstelle oder der Inklusionstelle des Bistums Limburg, der Sozialpastoral der Stadtkirche Frankfurt oder dem Zentrum für Trauerpastoral. Zum Beispiel mit dem Trauerkranz für liebe Verstorbene rund um Allerheiligen und Allerseelen oder der Aktion „Before I die“, bei der Passantinnen und Passanten dazu aufgefordert waren, an einer schwarzen Wand zu notieren, was sie noch erleben möchten, bevor sie sterben. Doch egal, was das Team vom Punctum vor der Tür veranstaltet: Ziel ist es, den „souveränen, passageren Fremden“ anzusprechen, kurz innehalten zu lassen, bevor er weitereilt und wieder in den Wogen der Stadt verschwindet.
Als der Kirchenladen i-Punkt 1992 startete, unterschied sich das Konzept sehr von dem, was heute an citypastoraler Arbeit in der Innenstadt läuft. Zunächst war der Kirchenladen in der Ladenzeile unterhalb der Liebfrauenkirche untergebracht, 1997 zog er in den Neubau am jetzigen Standort. Dorothée Mann leistete die Aufbauarbeit, kurz danach übernahm Ursula Sauter und führte den i-Punkt viele Jahre lang. „Im ursprünglichen Konzept des i-Punkt […] hatte der Kirchenladen die Funktion, einen Erstkontakt herzustellen - und wenn nötig - herauszufinden, welche anderen Institutionen den Besuchern helfen könnte“, schreibt Chronist und Historiker Maximilian Röll in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Gesamtverbandes.
„Man muss die Stadt lieben“
2013/14 wurde der Kirchenladen unter der Leitung von Patricia Nell umgebaut und vor allem modernisiert, bekam einen neuen Namen und auch inhaltlich ein neues Konzept. „Wir verstehen uns nicht als Gegenentwurf zur lauten und hektischen Stadt, so wie sich Kirche früher oft gesehen hat, sondern sind ein Teil von ihr“, sagt Stefan Hoffmann. „Im Leben der Stadt finden wir die Anknüpfungspunkte für unsere Arbeit.“ Für ihn steht fest: „Man muss die Stadt lieben, denn es ist unsere Aufgabe, mit der Stadt zu schwingen.“ Im Guten wie im Schlechten, im Schönen wie im Problematischen, das in der Innenstadt nun einmal allgegenwärtig ist.
Oft kommen auch Wohnsitzlose und psychisch auffällige Menschen ins punctum – Zielgruppen, an die sich die Angebote von punctum nicht originär richteten. „Bei uns kommen die verschiedensten Leute durch die Tür mit den verschiedensten Anliegen – und manchmal müssen wir da auch Grenzen setzen.“ Zählen tut er die Besucherinnen und Besucher übrigens nicht: „Wir machen Seelsorge, keine Zählsorge.“
Hoffmann begeistern Ideen wie der Stadtpilgerweg, der säkulare Orte einbindet, statt nur von Kirche zu Kirche zu führen. Die Arbeit des Punctum versteht er nicht als defizitorientiert: „Zu uns kommt man nicht nur, wenn man ein Problem hat. Wir möchten auch denen, die einfach vorbei laufen, ein positives Angebot machen, das sie interessiert.“ Offen auf die Menschen zugehen, statt sie zu bevormunden – da habe die katholische Kirche in den letzten Jahren viel dazugelernt, findet Hoffmann. Seine persönliche Motivation und Inspiration ist eine hohe: „Wir wollen etwas von der Menschenliebe und Großzügigkeit Gottes erfahrbar machen“, sagt der Theologe. Und dafür steht er jeden Morgen gerne wieder auf.
Das Punctum feiert sein 30-jähriges Bestehen am Donnerstag, 29. September, mit einer Andacht, die um 16 Uhr in der Alten Nikolaikirche auf dem Römerberg beginnt und in der Liebfrauenkirche endet. Der ökumenische Aspekt ist dem Team wichtig, immerhin ist das Punctum auch in der Ökumenischen City-Kirchen AG vertreten und so im dauerhaften Gespräch mit den – katholischen wie evangelischen – Innenstadtkirchen drumherum.
Das Punctum und der Gesamtverband
Der Gesamtverband der Katholischen Kirchengemeinden in Frankfurt und der Kirchenladen, das heutige Punctum, sind seit der Gründung 1992 eng miteinander verbunden. Die Trägerschaft wurde zunächst zu gleichen Teilen von der Diözese und vom Gesamtverband wahrgenommen. Nach dreijähriger Erprobungsphase wurde beschlossen, das Projekt dauerhaft fortzuführen. Dabei kam es auch zu einer Umstrukturierung: Das Bistum beschloss, sich aus der Finanzierung größtenteils zurückzuziehen. Weil die Stadtkirche das Projekt aber fortführen wollte, sprang der Gesamtverband ein und wurde zum alleinigen Träger. Der Gesamtverband finanziert das Verwaltungspersonal sowie die wesentlichen laufenden Sachkosten. Das pastorale Personal wird weiterhin vom Bistum Limburg finanziert. Außerdem stellt der Gesamtverband seit 2012 Büroflächen in der Liebfrauenstraße 4 im dritten Stock zur Verfügung.