Bilinguale Kita zeigt Eintönigkeit die lange Nase
Die Geschichte des deutsch-italienischen Kindergartens Pinocchio im Unterweg ist eng verknüpft mit dem Leben seiner Leiterin. Marina Demaria war es, die der Einrichtung ihren Namen gab, sie war es, die die Entscheidung traf, zweisprachig zu werden und die Kita so zukunftsfähig zu machen. Unter ihrer Führung erhielt der Kindergarten 2002 den Integrationspreis der Stadt Frankfurt. Und nun, im Corona-Jahr, teilen Marina Demaria und ihr Herzensprojekt noch ein weiteres Schicksal: Während der Kindergarten im November auf 50-jähriges Bestehen zurückblickt, begeht Marina Demaria zugleich ihr 35. Dienstjubiläum als Leiterin – doch beide Feiern müssen ausfallen. „Vielleicht holen wir sie im nächsten Jahr nach“, sagt sie hoffnungsvoll. Doch sie hat dabei Tränen in den Augen.
Eine Bestimmung mit Hindernissen
Kein Wunder, denn die engagierte Italienerin geht im März in Rente. Und es ist schwer für sie, dass diese letzten Monate stark durch Corona geprägt sind. Die Kita Punocchio ist Marina Demarias Lebenswerk. Eines, das sie am Anfang eigentlich gar nicht antreten wollte. „Ich kam 1985 als Studentin nach Frankfurt“, erzählt sie. Ihr Plan war es, in Deutschland ihre Germanistik-Magisterarbeit übers deutsche Kindertheater zu schreiben und anschließend zurück nach Italien zu gehen, wo sie bereits als Grundschullehrerin gearbeitet hatte. „Die italienische Kultur, die durch die Gastarbeiter nach Frankfurt gekommen war, interessierte mich zu der Zeit gar nicht“, sagt sie rückblickend ehrlich.
Eine große Überraschung
Erst von einer Bekannten erfuhr sie, dass es eine italienisch-katholische Gemeinde gibt – und als wenig später für die italienischsprachige Kita eine neue Leitung gesucht wurde, schlug die Bekannte sie dort kurzerhand vor, ohne Rücksprache zu halten. Eine große Überraschung für die junge Lehrerin.
Damals, Mitte der 80er Jahre, als Marina Demaria zum ersten Gespräch kam, befand sich der Kindergarten in einem großen alten Haus in der Bockenheimer Anlage 3, in dem er bis 2005 blieb. „Ein bisschen altmodisch war alles“, berichtet Marina Demaria heute. Und doch wurden dort bereits 60 italienische Kinder betreut.
Im Gespräch erfuhr sie von Pfarrer Don Giovanni de Florian, dass der Kindergarten am 1. November 1970 auf Wunsch vieler Familien der italienischen Gemeinde gegründet und bis 1983 von engagierten italienischen Franziskanerinnen geleitet worden war. Diese waren 1983 zurück nach Italien gegangen, seitdem gab es mit Antonietta Paolucci eine weltliche Leitung, die nun aber selbst Mutter wurde und daher eine Nachfolgerin suchte.
Zwei Bedingungen
Als man ihr wenig später die Stelle anbot, stellte Marina Demaria zwei Bedingungen. Erstens: Sie würde die Leitung nur übergangsweise übernehmen, langfristig müsste eine andere Leiterin gefunden werden. Und zweitens: Sie wollte freie Hand für Veränderungen. Pfarrer de Florian stimmte zu: „Hauptsache, Sie retten unsere Kita“, habe er ihr gesagt.
Doch warum musste die Kita überhaupt gerettet werden? Mitte der 80er Jahre waren die italienische Community und mit ihr der Kindergarten in einer Umbruchphase, die eine Neuausrichtung nötig machte. „Damals begriffen viele italienische Familien, dass sie nicht wie geplant nach Italien zurückkehren würden“, erzählt Marina Demaria.
Die Kinder wurden eingeschult, man schlug Wurzeln, lernte Menschen kennen – das machte den eigentlichen Plan vieler, nach ein paar Jahren harter Arbeit in Deutschland zurück in die Heimat zu ziehen, zunichte. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Kinder die deutsche Sprache lernen mussten, um in der Schule später mitzukommen. Denn auch die italienischsprachigen Klassen, die es an vielen Schulen für Gastarbeiterkinder gab, waren ab Anfang der 80er Jahre passé, die Kinder wurden in normale deutschsprachige Klassen eingeschult.
Höchste Zeit für Zweisprachigkeit
Es war also wichtig, den Kindergarten auch sprachlich zu öffnen und fortan bilingual zu führen. Die junge Leiterin stellte zweisprachige Erzieherinnen ein und wiederholte immer wieder, der Kindergarten müsse sich öffnen. „Dazu gehörte auch, das deutsche Publikum miteinzubeziehen“, betont sie. Eigentlich war dies im Sinne der Eltern, die das Problem längst erkannt hatten und den Kindergarten häufig nur als Übergangsstation betrachteten, bis sie in einer deutschsprachigen Kita einen Platz für ihr Kind bekamen. Trotzdem habe es viele Gespräche „und viele schlaflose Nächte“ gebraucht, bis das Sprachkonzept etabliert gewesen sei. Viel Hilfe bekam Marina Demaria durch die Jahre von begeisterten Mitstreitern im Bistum, dem die italienische Gemeinde direkt angehört, zum Beispiel von Ralf Stammberger, Leiter des Dezernats Kinder, Jugend und Familie, und von Monika Ginkel vom Caritas-Verband.
Bunt und international
Heute arbeiten vor allem bilinguale Erzieherinnen in der Kita Pinocchio die „Muss-Sprache“ ist Deutsch, dazu gibt es freiwillige italienische Angebote. 60 Kinder besuchen den Kindergarten, 20 die Krippe. Der Standort am Unterweg direkt neben dem Haus der Volksarbeit, in dem die Einrichtung seit 2019 untergebracht ist, ist bunt, modern, hell und groß. Die meisten der Kinder stammen aus einer Familie mit italienischem Hintergrund, doch insgesamt ist das Publikum international – und die Kita im Stadtteil eine feste Größe.
Die Frage nach dem Vater
Übrigens, ihren Namen trägt die Einrichtung erst seit 2007. Der Leiterin war es schon lange ein Bedürfnis, der nur als „zweisprachige Kita der italienischen Katholischen Gemeinde“ und später als „Haus für die Kinder aus aller Welt“ bezeichneten Kita einen schönen Namen zu geben. Doch welchen? „Das war ein großer Streitpunkt“, berichtet sie. Es sollte ein Name sein, der international ist, der Bezug zur Kirche hat und zugleich Offenheit signalisiert. Die literarische Figur Pinocchio sei in Italien umstritten, trotzdem war Marina Demaria überzeugt davon, dass die Holzfigur aus der Geschichte des italienischen Autors Carlo Collodi die richtige Wahl sei. Zu weltlich, fanden viele. Doch nicht unbedingt: „Geppetto oder Gott – wer ist denn der Vater von Pinocchio?“, fragt die Leiterin, die sich schließlich durchsetzte.
Stolz auf Erkennungszeichen
Mittlerweile ist der Streit um die Namensfrage lang Geschichte – und die Kita nutzt die Holzfigur mit der langen Nase stolz als Erkennungsmerkmal. Kein Wunder, dass der Junge aus Holz auch bei der bescheidenen internen Jubiläumsfeier ohne Eltern eine Rolle spielte. Die vielen Bilder, die die Kinder dazu gemalt haben, sind zu finden auf www.pinocchio-kindergarten.de. Zum Geburtstag wünscht Marina Demaria „ihrer“ Kita, auch in Zukunft neugierig und immer offen für gesellschaftliche Entwicklungen zu bleiben. Als besondere Ehre empfindet sie es, dass sie als Gesicht der Einrichtung zum Jubiläum in die Bibliothek der Generationen im historischen Museum aufgenommen wurde.