Ausgezeichnetes Lichtdesign in Frauenfrieden
Das Lichtkonzept der frisch sanierten Frauenfriedenskirche in Bockenheim ist mit dem Deutschen Lichtdesign-Preis 2023 in der neuen Kategorie „Sanierung“ ausgezeichnet worden. Verantwortlich für die Lichtgestaltung bei der Sanierung 2020 waren die Frankfurter Lichtgestalter Herbert Cybulska, Yvonne Standke und Antje Dietrich.
„Die Kirche wurde saniert, ein zentraler Altarbereich ergänzt, die Ausmalung in kräftigen Farben wieder hergestellt. Die Lichtplanung übersetzt die Lichtideen ins Heute, ergänzt und bereitet die vom Architekten entworfenen Leuchten auf. Vergangenheit und Gegenwart ergänzen sich zu Neuem“, heißt es in der Projektbeschreibung zur Kirche, die im November 2020 nach einer langen Sanierung für insgesamt 5 Millionen Euro wiedereröffnet worden war.
Das überzeugte die Jury, die das Büro Cybulska und Partners für die Arbeit auszeichnete: „Das Lichtkonzept für die historische Kirche in Frankfurt schafft es, die ursprünglichen Gedanken des Architekten zu Beleuchtung in eine neue Technik, aber auch in eine Lichtsprache zu übersetzen. Die gewünschte Atmosphäre wird jetzt durch aktuell geplantes Licht erzeugt und die Gemeinde bekommt alle modernen Steuerungsmittel“, so die Jury-Begründung.
„Frauenfrieden ist in der Lichtwelt ein Begriff geworden. Wir freuen uns“, sagte Herbert Cybulska, der den Preis Ende Mai bei der Preisverleihung in Würzburg stellvertretend für seine Mitarbeiterinnen und das gesamte „vielköpfige“ Team entgegen nahm, das über Jahre viel Liebe und Kraft in die Sanierung gesteckt hat.
„Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Bauprojekt regelmäßig jeden zweiten Donnerstag eine Sitzung macht über drei Jahre – und nach der letzten Sitzung die Mitglieder sagen, dass ihnen die Sitzungen in Zukunft fehlen werden“, sagte Cybulska bei der Preisverleihung. „Wir hatten eine intensive Zusammenarbeit mit den Architekten und mit der Kirchengemeinde, die sehr engagiert war. Da war eine Historikerin dabei, eine Kunstgeschichtlerin, es waren Elektroplaner dabei, Sanierungsfachleute und Restauratoren, die Stück für Stück die alten Farben wieder hervorgeholt haben.“
Im Grunde habe das Team erst während der laufenden Sanierungsarbeiten nach und nach herausgefunden, um was für einem Bau es sich eigentlich handelte. „Unsere Recherchen begannen im Architekturmuseum in Frankfurt, mit Unterlagen darüber, wie die Lichtwirkung in diesem Bau in 1930 war. Das war die Grundlage unserer Überlegungen: Was bedeutet die Lichtwirkung von 1930 für unser 21. Jahrhundert und wie können wir das übersetzen?“, so der Lichtgestalter.
Und dann habe es noch eine zweite Aufgabe gegeben: Nach dem zweiten vatikanischen Konzil verschoben die Kirchen ihre Altäre. „Das heißt, der Bau, der auf einen Hochaltar hin ausgerichtet war, wurde in der Mitte durch einen zweiten ergänzt und wir mussten die Lichtkonzentration nach vorne umlenken auf die Konzentration zur Mitte hin.“ Dies auszubalancieren sei die künstlerische Herausforderung gewesen. „Das hat uns allen so viel Spaß gemacht, dass wir gerne an die Zeit zurückdenken. Ich freue mich für das ganze Team, die Gemeinde, den Architekten und den Bauherrn, dass unsere Arbeit damit jetzt belohnt wurde“, so der Preisträger. Der Preis ist ein reiner Ehrenpreis, also nicht mit Geld dotiert. In zwölf Jahre ist es die fünfte Auszeichnung für das Büro Cybulska, davon drei für Sakralbauten.
Frauenfrieden - Lichtgestaltung im Denkmal
Von Herbert Cybulska
Hans Herkommer hat vor rd. 100 Jahren ein Denkmal für den Frieden geschaffen. Die konsequente Gestaltung mit „Linie, Licht und Farbe“ hat heute noch Bestand – nicht nur wg. der politischen Aktualität.
Zum Gedenken an die vielen gefallenen Söhne und Ehemänner, sammelten katholische Frauen nach dem ersten Weltkrieg Geld für einen den Frieden anmahnenden, neu zu errichtenden Kirchenbau. Ein steinernes Friedensgebet sollte es sein. Ein Wettbewerb wurde ausgelobt, der sich an die herausragenden Architekten der Zeit wandte. Nach der Entscheidung der Jury für einen formal sehr strengen Entwurf, eine Art Grabmal, mischte sich der Pfarrer vehement ein. Der Kirche schwebte eine Lösung vor, die den Erinnerungsgedanken an die vielen Toten mit dem Kirchenalltag verband, der nicht nur mahnenden und abweisend wirkt. So kam es zu einer revisionierten Entscheidung für den Entwurf des Stuttgarter Architekten Hans Herkommer.
Im Archiv des Frankfurter Architekturmuseums hat sich u.a. Herkommers ursprüngliches Kunstlichtkonzept erhalten. Der Bau sollte vom Lichtgaden aus beleuchtet werden. Zum Einsatz kamen, wie Ing. Ernst Weise 1932 in der „Deutschen Bauzeitung“ beschrieb, pro Seite je elf Spiegelschrägstrahler, die aus den Bogenfenstern der einen, jeweils die Bankreihen der anderen Seite beleuchteten. Da das Budget begrenzt war, bediente man sich so gut es ging aus dem Fundus von Leuchten, die im Alltag oder in der Industrie eingesetzt wurden. Die von Herkommer selbst entworfenen Leuchten wurden aus Industrie-Standart-Teilen entworfen und von örtlichen Handwerkern gefertigt. Beim Nachbau einer der Wandleuchten, die den zweiten Weltkrieg nicht überlebt hat, hatte der heutige ortsansässige Metallbauer seine Freude.
Raumschwerpunkte
Das Prinzip der Raumbeleuchtung aus dem Lichtgaden heraus, musste im Bereich der neuen Altarinsel variiert werden. Wie in fast allen katholischen Kirchen, wurde in Frauenfrieden nach dem zweiten Vatikanischen Konzil der Hochaltar durch einen neuen ersetzt. Dem Zelebranten sollte es möglich sein, die Messe in Richtung Gemeinde zu lesen. In den 1970er Jahren war das an einen einfachen, leichten, mobilen Holzaltar geschehen, den man vor die ersten Bankreihen platziert hatte. Im Zuge der Sanierung wurde ein Künstlerwettbewerb für die Innenausstattung ausgelobt, den Tobias Kammerer gewann: Er entwarf eine leicht erhöhte Altarinsel mit Ambo und Altar aus Tonbak, einer Kupfer-Messing-Legierung, deren sanfter Goldton die grandiosen Farben in der Kirche ergänzt, ohne von ihnen abzulenken. Ein Leuchtring unterhalb des Altars nimmt ihm die Schwere und lässt ihn optisch schweben. Das schnörkellose ovale Rund des halbierten Eis hat die Kraft, dem streng konzipierten Raum nicht nur stand zu halten, es definiert auch einen zweiten Raumschwerpunkt. Er existiert parallel zum erhaltenen Hochaltar, der bisher alleiniger Blickfang und optisches Zentrum war. Beide existieren gleichberechtigt miteinander, markieren zwei Stil- und Geschichtsepochen des Gebäudes. Vergangenheit und Gegenwart ergänzen sich.
Einsatz besonderer Lichttechnik
Der neue Altar kann sowohl für große Gottesdienste zum Hauptschiff hin „bespielt“ werden, als auch alternativ für kleine alltägliche Gottesdienste zum Hochaltar hin. Für diese unterschiedlichen Richtungen wurden Aufstellung und Maße der Bänke so modifiziert, dass es nunmehr auch Bänke mit seitlichem Blick auf Altar und Ambo gibt. Im Bereich der Altarinsel wurden die Spots aus dem Lichtgaden so tief fokussiert, dass Blendung für die Besucher in den seitlichen Bänken vermieden wird. Um die Zelebranten in beiden Richtungen zu zeigen, wurden Spots aus der Theatertechnik mit klassischen Plankonvexlinsen eingesetzt, die bei seitlichem Blick, also in Richtung Lichtgaden, nicht blenden und die für einen Abstand zur Person von über 15m hinreichend optisch präzise und kräftig genug sind. Zur Präsenz der Personen auf der Altarinsel wurden zudem in beide Richtungen Spitzlichter eingesetzt. Herkommers Gedanken des sakral-theatralischen Raumes, der in den 1920er Jahren vielfach lebendig wurde, findet so auch lichttechnisch seinen Widerhall. Für die neuen seitlichen Sitzpositionen der Besucher wurde das an diesen Stellen hier anders fokussierte Licht aus dem Lichtgaden durch senkrechte Spots von der Decke ergänzt. Diese „neuen“ Spots sowie die Scheinwerfer waren in das Deckenbild zu integrieren, ohne das klare, geometrische Deckenbild zu stören. Die Verwendung traditioneller PCLinsenscheinwerfer mit neuester LED Technik erwies sich als große Hilfe. Die Entfernungen sind recht groß, die Winkel flach, die Apparate sind nicht zu verstecken und die Entblendung ist dennoch gut gelungen.
Sonderleuchten des Architekten
Für den Eingang und für die schmalen Seitenschiffe hat Herkommer Leuchten entworfen und von Handwerkern vor Ort fertigen lassen. Alle sehr einfach, aber gut konstruiert, einige mit goldener lateinischer Schrift. Sie wurden restauriert und für die das 21. Jahrhunderts lichttechnisch fit gemacht, ohne ihnen das Alter und damit die Geschichte zu nehmen.
Darüber hinaus wurden Leuchten ergänzt, die lichttechnisch aktuell sind und sich in die Architektur einfügen, ohne als Fremdkörper zu wirken. So der Lichtring im Boden um den Altar, der das Kreismotiv der Decke über dem alten Hochalter weiterführt und so eine Verbindung zum vorigen optischen Zentrum schafft.
Der Kreuzweg von Albert Henselmann an den Säulen zum Hauptschiff hin, vom Expressionismus inspirierte, hoch stilisierte Gesichter und Szenen, wird aus sehr steiler Position mit kühlen Spots mit 4000°K beleuchtet, die die Materialität und blasse Farbigkeit dieser eindrücklichen Arbeiten herausstellen. Die Bilder wirken im tageslichtnahen Spektrum sehr präsent und lebendig, ohne „beleuchtet“ auszusehen. Sie werden per Lichtregie Teil der Szene, des Raumeindrucks, immer wenn es thematisch passt.
Linie, Licht und Farbe
Das raumprägende Mosaik von Friedrich Eberz, das die gesamte Stirnseite einnimmt, war ursprünglich nur vom Tageslicht illuminiert. Heutige Lichttechnik ermöglicht die Beleuchtung mit so kompakten Spots, dass sie vom Hauptschiff nicht zu sehen sind; Wirkung aus dem Off. Die eingesetzten Spots mit Lichtengines aus dem Museumsbereich, haben nach intensiven Lichtproben mit unterschiedlichen Fabrikaten, das Bild am besten lebendig werden lassen. Im Zuge der Restaurierung wurde der Mosaikhintergrund von Beige zu leicht blaustichigem Anthrazit gewechselt, die Steine von 40jährigem Staub befreit. Alle Farben im Raum wurden nach gründlicher Recherche und vielfachen Probeentnahmen original wieder hergestellt. Die Formensprache des Raums ist Konstruktion, ist Geometrie. Rein bautechnisch sehr trickreich ist die Konstruktion auch eine Augenweide und Aussage. Sie ist von der „Neuen Sachlichkeit“ geprägt, verzichtet auf Schnörkel und zierendes Ornament. Die differenzierten Farben lassen die Konstruktion wie ein Bühnenbild erscheinen. Eine dezente Aufhellung der Decke, ohne sichtbare Leuchten, bezieht diese in das Gesamtbild mit ein. Das unterstreicht posthum den Willen Herkommers, der in einem Brief zum Kirchraum in Frauenfrieden schrieb: „Die bestimmenden dekorativen Elemente sind Linie, Licht und Farbe.“
Die Taufkapelle als Galerie
Das gilt auch für die angebaute Taufkapelle. Hier wurden Spots mit Wechseloptik zusätzlich zur restaurierten Beleuchtung ergänzt, die eine differenzierte Beleuchtung von Bildern ermöglicht, so dass diese Räume auch als Galerie genutzt werden können. Neben den von Herkommer gestalteten Leuchten mit Kreuzmotiven, die mit den Leuchten der Aula im Jenaer Bauhaus direkt verwandt sind, haben wir in der Bauphase eine Frühform des Downlights entdeckt: Eine bündig in die Decke eingebaute Emaileschale mit zentraler Lampenfassung für Glühbirne. Diese Schlichtheit wurde in der Taufkapelle grundsätzlich beibehalten, mit den Ausstellungsspots lediglich ergänzt.
Bausteine aus Licht
Ein wichtiges Lichtelement tagsüber, ist das Spiel der Farben auf den weitgehend kahlen Wänden. Es entsteht eine Art wanderndes Mosaik, dass Kirchenbaumeister Dominik Böhm „Baustein aus Licht“ nannte. Die täglich offene Kirche ist per Tageslicht eine dynamische Lichtinstallation, spektakulär bei direkter Sonneneinstrahlung. Die künstliche Beleuchtung muss daher tagsüber als Ergänzung gesehen werden, die dieses Spiel unterstützt, in dem sie sich zurücknimmt, die Raumachsen beibehält und dem Raum mit wenigen Akzenten eine Richtung gibt. Tagsüber ist er wesentlich Gedenkort, der kaum künstliches Licht braucht. Mit einer Lichtlinie um den Altar und einer weiteren im Tabernakel ist die Lichtstimmung im Sommer für die offene Kirche auf wenige Watt reduziert, im Winter gibt es minimale Aufhellungen für Stolpersicherheit im Eingangsbereich. In der Passionszeit wird der Kreuzweg ergänzt. In allen drei Varianten ist das eine schöne und gleichzeitig ökologische Lösung.
Szenisches Licht
Für Gottesdienste und andere Zusammenkünfte gibt es eine Reihe von Lichtszenen, die von der Gemeinde abgerufen werden können. Sie können den Raum unterschiedlich erlebbar machen: Vom festlich strahlenden Raum bis hin zu Varianten von Meditationslicht, das u.a. mit Dunkelheit und Schattigkeit spielt. Ein Teil der Leuchten wird mit hoch aufgelösten 16bit Dimmern gesteuert, eine Vielzahl der Spots per DALI, einige in exponierten Positionen wurde als DMX-Spots umgebaut. Die komplexe Steuerung wurde auf sehr einfache Bedienung heruntergebrochen, die der Bedienung durch mehrere Personen Rechnung trägt.
Ein Teil des „Neuen Frankfurt“ in den 1920er Jahren
Der Architekt Herkommer nahm den Aufbruchsgeist der 1920er Jahre auf. Die Beleuchtung mit damals avangardistischen Spiegelstrahlern, der Einsatz von Lichtvouten und hinterleuchteten Glaselementen, sowie das mit den damals neu aufkommenden Leuchtstoffröhren beleuchtete Kreuz auf dem Dach, lässt an die Ausstellung „Berlin im Licht“ erinnern, die damals erstmals Elemente leuchtender Architektur vorstellte. Das Lichtkonzept Herkommers hat diese Gedanken aufgenommen und weitergeführt und wir haben diese ins digitale Zeitalter übersetzt. Erstaunlich an diesem Bau ist die Sorgfalt in der Komposition, die große klare Geste, die teils mit sehr einfachen Lösungen einhergeht. Eine Antithese zu neureicher Überausstattung.
Knapp hundert Jahre nach der Erbauung, ist dieses Denkmal nicht nur wegen des Friedensthemas aktuell. In einer Zeit wuchernder Bauvorschriften ist es Zeugnis einer ganzheitlichen Auffassung von Architektur und Gestaltung, das sich ganz in den Dienst eines Themas stellt. Mit engem Etat wurde Großes geschaffen. Weil die Idee groß war - von Beginn an - hat sie heute Bestand. Das Licht versucht, sie mit aktueller Technik zu unterstützen.