Mutiges Outing im TV
Sich in der katholischen Kirche als queer zu outen kann problematisch sein. Doch es wird leichter, wenn man nicht allein ist. Am Montag, 24. Januar, 20.30 Uhr, sendet die ARD die TV-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“, in der sich 118 LGBTQIA+-Personen outen, die haupt- oder ehrenamtlich in der katholischen Kirche im deutschen Sprachraum tätig sind. Sie alle arbeiten und engagieren sich unter anderem in den Bereichen Bildung und Erziehung, Pflege und Sozialarbeit, Kirchenmusik und Seelsorge. Unter ihnen sind Priester, Pastoralreferent*innen, Religionslehrer*innen, aber auch Verwaltungsmitarbeiter*innen.
Mit dabei ist auch Stefan Diefenbach, Theologe und Geschäftsführer des Weltladens in Bornheim. Er selbst lebt seit langem offen schwul, ist verheiratet und kämpft engagiert zum Beispiel für Segensfeiern und gegen Diskriminierung. Doch nicht jede und jeder, die in der Reportage auftritt, bekennt sich bislang in der großen Öffentlichkeit zur eigenen Sexualität und Identität. Ein Outing vor Millionen von Zuschauern ist natürlich ein großer Schritt. Zugleich sei jedoch allen, die in der Reportage zu sehen sein werden, klar gewesen, dass es jetzt an der Zeit sei, Gesicht zu zeigen, sagt Diefenbach – auch wenn dies in einigen Fällen verpixelt geschieht.
Endlich hörbar und sichtbar
So sieht es auch Initiator Jens Ehebrecht-Zumsande, Referent im Generalvikariat des Erzbistums Hamburg: „Viel zu oft wird abstrakt über die Betroffenen gesprochen.“ Mit dem Projekt würden nun diejenigen, um die es geht, in der Kirche selbst endlich hörbar und sichtbar.
Wichtig ist das vor allem, um andere queere kirchliche Mitarbeitende zu ermutigen, sich frei zu ihrem Leben zu bekennen. Ob es noch weitere Menschen aus Frankfurt gibt, die bei der Reportage mitmachen, weiß Theologe Diefenbach übrigens nicht – „damit wurde im Vorfeld sehr diskret umgegangen. Ich habe nur mit denen gesprochen, mit denen ich ohnehin schon in Kontakt stehe.“
Hinter der ca. einstündigen Reportage von Hajo Seppelt, Katharina Kühn und Marc Rosenthal, die am Montag bereits ab 6 Uhr morgens in der ARD Mediathek verfügbar sein wird, steht die Initiative „#OutInChurch. Für eine Kirche ohne Angst“. Inspiriert wurden sie von der Aktion #ActOut, bei der sich im vergangenen Jahr 185 lesbische, schwule, bisexuelle, queere, nicht-binäre und trans* Schauspieler*innen im SZ-Magazin outeten. Damals sei klar geworden, dass die große Zahl an Menschen dem und der Einzelnen ein Gefühl von Schutz geben könne, sich offen zu bekennen, sagt Diefenbach.
Gut ein Jahr arbeitete die Initiative #OutInChurch hinter den Kulissen an dem Projekt. Als die ARD Interesse zeigte und zusagte, eine TV-Dokumentation zu produzieren, war klar: Das Thema bekommt die öffentliche Aufmerksamkeit, die es verdient. Nun sind alle Beteiligten gespannt darauf, wie die Reportage aufgenommen werden wird.
Ein erhebliches Risiko
Natürlich auch von Seiten der Bistümer. Denn im kirchlichen Kontext, so schreibt die Initiative, bedeutet ein solcher Schritt immer noch ein erhebliches Risiko, da ein Coming-out schwerwiegende Folgen bis zur Kündigung und Zerstörung der beruflichen Existenz haben könne: „Tief verankerte kirchliche Methoden der Verurteilung und Beschämung machen es queeren Menschen im Dienst der katholischen Kirche schwer, sich zu zeigen.“ Die Initiative wollezu einer Erneuerung der Glaubwürdigkeit und Menschenfreundlichkeit der katholischen Kirche beitragen.
Zum Projekt gibt es eine Homepage, auf der weiterführendes Material zu finden ist: www.outinchurch.de. Dort haben die Initiator*innen zudem ein Manifest formuliert. Ihre Forderungen: Diffamierende Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität müssen revidiert werden, das kirchliche Arbeitsrecht muss geändert werden und die Kirche soll in Riten und Sakramenten sichtbar machen und feiern, dass LGBTIQ+-Personen und -Paare von Gott gesegnet sind.