Tschechischer Bischof beim Karlsamt
FRANKFURT.- Die katholische Kirche in Tschechien und die Geschichte Osteuropas stehen im Mittelpunkt des traditionellen Karlsamtes in Frankfurt. Auf Einladung der katholischen Stadtkirche feiert der frühere Bischof von Pilsen, Franti?ek Radkovský, den festlichen Gottesdienst am Samstag, 28. Januar, um 18 Uhr zur Erinnerung an Karl den Großen im Kaiserdom St. Bartholomäus, wo im Mittelalter die deutschen Kaiser gewählt wurden. Radkovský vertritt den Erzbischof von Prag, Kardinal Dominik Duka OP, der seine Zusage zurückziehen musste, weil am selben Tag der neue Erzbischof in Krakau nin sein Amt eingeführt wird.
Bischof Franti?ek Radkovský (78) studierte zunächst in Prag an der Mathematisch-Physikalischen Fakultät mathematische Statistik und schloss das Studium mit der Promotion ab. Nach dem Wehrdienst in einer slowakischen Garnison arbeitete er als Statistiker am nationalen Forschungsinstitut der Glasindustrie und später am Pädagogischen Institut der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften, wo er sich mit der Reform des schulischen Mathematikunterrichts beschäftigte.
Domgespräch mit Bischof em. Radkovský
1966 nahm er ein Theologiestudium an der Theologischen Fakultät in Leitmeritz auf und wurde 1970 zum Priester geweiht. Nach 20 Jahren als Pfarrer in Marienbad und später in Franzensbad ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Weihbischof in Prag. Als das Bistum Pilsen 1993 neu errichtet wurde, wurde er dort zum ersten Bischof ernannt, ein Amt, das er bis zu seinem altersbedingten Rücktritt im Frühjahr 2016 innehatte. Am Nachmittag wird der Bischof um 14.30 Uhr bei einem Domgespräch im Haus am Dom, Domplatz 3, über seine Einschätzung der Rolle Osteuropas für die europäische Einigung und die Besonderheiten der katholischen Kirche in Tschechien berichten.
Zum Todestag Karls des Großen erinnert die katholische Stadtkirche Frankfurt alljährlich mit ihrem traditionellen Karlsamt an den Gründervater Europas, der auch Patron der Stadt und des Kaiserdoms ist. In dem farbenprächtigen Gottesdienst, zu dem traditionell auch Vertreter der Ritterorden in den Dom einziehen, erklingen mittelalterliche lateinische Gesänge wie die Karlssequenz, ein Lobgesang auf Kaiser und Stadt, und die Kaiserlaudes, in der Huldigungsrufe an Christus mit Bittrufen für Kirche, Papst, Bischof, das deutsche Volk und alle Regierenden verbunden werden. Einen vergleichbaren Gottesdienst gibt es außer in Frankfurt nur in der Karlsstadt Aachen.
Gründer Europas und Machtpolitiker
Karl der Große gilt als Gründer Europas nach dem Ende des römischen Imperiums. Er starb am 28. Januar 814. Im Jahr 794 hatte er eine Reichssynode nach Frankfurt berufen und so für die erste schriftliche Erwähnung der heutigen Main-Metropole gesorgt. Seit mehr als 600 Jahren gedenken die Frankfurter Katholiken immer am letzten Samstag im Januar dieses „Vaters des Abendlandes“ und beten für eine gute Zukunft Europas.
Kaum eine Persönlichkeit hat Europa im frühen Mittelalter so geprägt wie Karl der Große. Er gilt in der Geschichtsschreibung bis heute als großer Politiker und geistiger Vordenker eines vereinten Europas, als Stratege und Reformer der Verwaltung, aber auch als Machtmensch und Unterdrücker. Sein Wirken hat das Schicksal vieler Völker über Jahrhunderte geprägt. Mit einer umfassenden Bildungsreform und der Schaffung von verbindlichen wirtschaftlichen Vorschriften legte er wichtige Grundsteine für die Entwicklung Mitteleuropas im Mittelalter. Sein Reich konnte er aber nur durch gleichermaßen geschickte wie rücksichtslose Machtpolitik aufbauen. (dw)