Die Linie ist alles
FRANKFURT.- Eine auch im kunstsinnigen Frankfurt seltene und außergewöhnliche Ausstellung zeigt „das podium“ in der katholischen Kirche Frauenfrieden in Bockenheim, Zeppelinallee 101, vom 20. August bis zum 24. September: Am Sonntag, 20. August, 12 Uhr, eröffnen die Frankfurter Künstlerinnen Sybille Schnabel und Renalisa Bergmann ihre Schau japanischer Tuschemalerei. Beide sind in der außergewöhnlichen Kunst des Sumi-e ausgebildet.
In Japan trägt die Kunst der Tuschmalerei den Namen Sumi-e (Tuschebild), oder suibokuga (Tusche-Aquarell-Bild). Sumi heißt übersetzt „schwarze Tinte“, e bedeutet sowohl Weg als auch Malerei. Diese monochrome Tuschemalerei kommt aus dem Zen-Buddhismus, der, im 12. Jahrhundert aus China kommend, Leben und Kultur in Japan beeinflusste. Nicht nur Samurais, sondern auch Künstler und Gelehrte wurden entscheidend vom Zen geprägt. Sie bewahrten das Überlieferte und entwickelten es weiter im Sinne ihres spirituellen Denkens. So blieb Sumi-e als hohe Kunst erhalten.
Pulsschlag der lebendigen Natur
Die beim Malen entstehenden Linien zeigen fast unendliche Variationen. Sumi-e ist keine realistische, sondern eine subjektive Kunst. Der Maler versucht, durch Identifikation mit dem Objekt den geistigen Inhalt darzustellen. Jeder Pinselstrich folgt dem Pulsschlag der lebendigen Natur. Wenn Logik oder Überlegungen sich zwischen Pinsel und Papier schieben, verliert sich der Effekt. Jeder Pinselstrich besitzt seine eigene Individualität. Ein Sumi- e Bild will nichts Besonderes darstellen, es existiert einfach
Die Kunst der Tuschemalerei erfordert eine hochgradige Beherrschung des Materials. Da die Tusche auf das feucht präparierte Material aufgebracht wird, ist jeder Pinselstrich unwiderruflich. Die Linie ist alles ? Anfang, Fülle und Ende. Die Kunst wirkt so luftig leicht und spielerisch und vermittelt dennoch eine eindringlich zu erlebende Form höchster Konzentration auf das Wesentliche.
Diese „Tuschmalerei des freien Stils“ besteht meist aus kraftvollen, jagenden, schnell hingeworfenen Strichen. In ihr drückt sich der Zen-Glaube aus, dass Erleuchtung mit der Geschwindigkeit eines Blitzes kommen kann. Was angedeutet und weggelassen wird, ist oft wichtiger und ausdrucksvoller als das Gemalte. Die Sparsamkeit der Mittel, das Zurückfahren auf das Wesentliche ist das Herz der Sumi-e Malerei.
Meisterschülerin in Japan
Sybille Schnabel zog nach dem Architekturstudium in Braunschweig und Darmstadt 1976 nach Japan. 1983 wurde sie dort Schülerin von Sasaki Tesshin und studierte auch nach ihrer Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1991 weiterhin bei ihm japanische Tuschemalerei. Sie erhielt von Meister Tesshin die Erlaubnis, als Lehrerin seiner Schule Sumi-e zu unterrichten und erteilt Sumi-e-Unterricht in Frankfurt. Renalisa Berg lebt seit 1989 in Frankfurt. Sie studierte die Kunst der Sumi-e bei Sybille Schnabel.
Die Ausstellung ist bis zum 24. September täglich von 8 bis 18 Uhr in der Kirche Frauenfrieden (Taufkapelle), Zeppelinallee 101, zu besichtigen. Bei der Finissage am Sonntag, 24. September, zeigt Sybille Schnabel, wie die Tuschezeichnungen entstehen. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei. (pm/dw)