Die Hand des alten Meisters ist wieder sichtbar
FRANKFURT.- Sie gilt als die „schmuckreichste Kirche der Deutschherren“, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erbaute Deutschordenskirche am Sachsenhäuser Mainufer. Jetzt kann sie auch wieder mit ihren bedeutenden gotischen Wandmalereien prunken, die in der kunstgeschichtlichen Forschung als einzigartig gelten. Die Restaurierung des Passionszyklus, der erzählende Szenen der Passion Christi darstellt und sie mit statuarischen Heiligendarstellungen verbindet, steht kurz vor dem Abschluss. Am Sonntag, 2. April, um 15 Uhr werden sie der Öffentlichkeit vorgestellt.
Vor Beginn der Restaurierung waren die Malereien stark verschmutzt und kaum noch zu erkennen. Nun konnten größere gotische Malereipartien aus der Entstehungszeit freigelegt werden. Aufgrund ihrer außerordentlich fein differenzierten und qualitätsvollen Malweise erlauben sie wertvolle Rückschlüsse auf das künstlerische Schaffen im 14. Jahrhundert in Frankfurt und am Mittelrhein, wie der Diözesankonservator des Bistums Limburg, Matthias Kloft, darlegt.
Bedenklicher Zustand erforderte Restaurierung
Aufgrund des bedenklichen Zustandes der Malerei hatte das Landesamt für Denkmalpflege 2015 die Restaurierung initiiert und intensiv begleitet. An den Gesamtkosten von etwa 42.000 Euro haben sich das Bistum Limburg, das Land Hessen, der Deutsche Orden sowie der Förderverein der Deutschordenskirche Frankfurt-Sachsenhausen e.V. beteiligt. Dem großen Engagement vor Ort ist es zu verdanken, dass auch private Spender für das Vorhaben gewonnen werden konnten.
Zweitgrößter Sakralbau des Deutschen Ordens in Hessen
Die Deutschordenskirche ist nach der Elisabethkirche in Marburg der zweitgrößte Sakralbau des Deutschen Ordens in Hessen. Ihre kunsthistorische Bedeutung verdankt sie aber nicht allein den Architekturformen, sondern auch den noch heute in beträchtlichem Umfang im Kirchenraum und in den Seitenkapellen erhaltenen Wandmalereien. Im Kirchenschiff befindet sich an der östlichen Seite eines Wandpfeilers die restaurierte Wandmalerei, die wahrscheinlich ursprünglich als Verzierung über einem Nebenaltar diente und wohl um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstand. Sie war zwischen 1748-1750 bei der Barockisierung der Kirche übertüncht worden und wurde um das Jahr 1881 bei einer Gesamtrenovierung des Kirchenraumes unter jüngeren Tüncheschichten wiederentdeckt und freigelegt.
Für die Restaurierung war damals der Historienmaler Johann Georg Weinmaier aus München unter Aufsicht des Altmeisters christlicher Kunst, des Ritters Eduard von Steinle, einem der führenden Nazarener im damaligen deutschen Reich, verantwortlich. Dem historistischen Geschmack der Zeit folgend wurden die mittelalterlichen Malereien flächig ergänzt oder übermalt und damit stark verändert. Der Frankfurter Historiker Otto Donner von Richter beklagte diese Restaurierung im Jahr 1887 mit den Worten: „ ?die Hand des alten Meisters ist nirgends mehr sichtbar“. Im 20. Jahrhundert überarbeitete man den Bestand dann mehrfach, wobei die Übermalungen des 19. Jahrhunderts größtenteils entfernt wurden. Geschuldet war auch dies dem Zeitgeschmack, der den Historismus ablehnte. Der teilweise schlechte Erhaltungszustand der gotischen Malerei veranlasste auch die Restauratoren des 20. Jahrhunderts zu umfangreicheren Retuschen und Ergänzungen.
Verschmutzt und verbräunt
Die für die aktuelle Restaurierung zuständige Kölner Restauratorin Birgit Schwieder fand die Wandmalerei stark verschmutzt und verdunkelt vor. Jüngere, vormals transparente Überzüge waren so verbräunt, dass die Malerei kaum mehr zu erkennen war. Diese spannungsreichen Überzüge hatten auch der alten Malerei erheblich geschadet, weil sich Malschichten vom Untergrund ablösten und wieder gefestigt werden mussten.
Die Malerei selbst zeichnet sich, wie die Fachleute vom Landesamt für Denkmalpflege berichten, dadurch aus, dass die Gestaltungsformen und die Bedeutungen der figürlichen Malereien jenen von hölzernen Flügelaltären entsprechen. Überfangen wird das Bild im oberen Bereich von gemalten gotischen Architekturformen, wie sie sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts etwa in der Portalarchitektur des Kölner Domes etabliert haben. Auch die Altarschreine dieser Zeit übernehmen diese Gestaltungsformen.
Christus mit dem Banner des Deutschen Ordens
Die Gesamtkomposition, eine Malerei über einem Nebenaltar, welche Elemente eines wandelbaren Flügelaltares aufnimmt, auf die Wand überträgt und erzählende Szenen mit statuarischen Heiligendarstellungen kombiniert, wird in der kunstgeschichtlichen Forschung als einzigartig betrachtet. Der ungewöhnliche Anspruch offenbart sich auch in zahlreichen Details, so wurde der auferstandene Christus durchaus selbstbewusst mit dem Banner des Deutschen Ordens ausgestattet.
Mit der aktuellen Restaurierung konnten teilweise, vor allem bei den Gesichtern, gut erhaltene gotische Malereipartien freigelegt werden. Sie zeichnen sich durch eine außerordentlich fein differenzierte und qualitätsvolle Malweise aus. Die Gesichter weisen die für die Zeit typischen mandelförmigen Augen und sehr kleinen Münder auf, die Haltungen der schlanken Körper sind elegant geschwungen, die Gestik ist ausdruckstark und höfisch geprägt.
Wesentliche Gestaltungselemente wiederentdeckt
Die technologischen Untersuchungen erbrachten, dass die Wandmalereien in einer für Tafelbilder typischen Malweise in Temperatechnik mit deckend und lasierend aufgetragenen, leuchtenden Farben sowie mit außerordentlich feinen Konturen und Binnenzeichnungen ausgeführt worden sind. Sie stehen der zeitgleichen Malerei auf Holztafeln in Qualität und Ausführungstechnik, bereichert mit Vergoldungen und teuren Farbmaterialien wie Zinnober, roten aus Pflanzen gewonnenen Farblacken und Malachit, einem zerstoßenen Halbedelstein, in nichts nach. Eine solche Technik auf der Wand oder Stein angewandt, ist nur selten anzutreffen, etwa bei den zeitlich nahestehenden Chorschrankenmalereien des Kölner Domes.
So konnten in der Deutschordenskirche mit der Restaurierung wesentliche Gestaltungselemente des gotischen Malers wiederentdeckt werden. Die Wandmalereien stellen sich nun dem direkten Vergleich mit den wenigen Altarbildern dieser Zeit, wie beispielsweise dem Altenberger Altar im Städel oder den Wandmalereien in der Elisabethkirche in Marburg. So würde wohl auch, wie Diözesankonservator Kloft betont, Otto Donner von Richter heute zu einem anderen Urteil kommen, denn die „Hand des alten Meisters“ ist nun endlich wieder sichtbar. (pm/dw)